Franziskus hat nahezu zwei Drittel der Wähler seines Nachfolgers selbst ernannt

Papst erinnert neue Kardinäle an "beständige Glut" im Gottesvolk

  • Papst Franziskus hat 20 neue Kardinäle ins Kardinalskollegium aufgenommen.
  • Damit sind nun nahezu zwei Drittel der Wähler seines Nachfolgers von ihm selbst ernannt.
  • Einen neuen deutschen Kardinal gibt es nicht, nur drei sind zur Papstwahl berechtigt.

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In einer feierlichen Zeremonie im Petersdom hat Papst Franziskus am Samstag 20 Geistliche aus vier Kontinenten zu Kardinälen der katholischen Kirche erhoben. 16 von ihnen sind jünger als 80 Jahre und könnten derzeit an einer Papstwahl teilnehmen. Es war das achte Mal, dass Franziskus seit seiner Wahl die Reihen der höchsten Würdenträger auffrischte.

Das Kardinalskollegium besteht nun aus 226 Männern; von ihnen sind 132 zur Papstwahl berechtigt. 83 der Wähler sind von Franziskus ernannt (62,6 Prozent), 38 von Benedikt XVI. (2005-2013) und 11 noch von Johannes Paul II. (1978-2005). Für eine gültige Papstwahl ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich; das wären derzeit 88 Stimmen.

Ein Kardinal in Rom akut erkrankt

Sechs Kardinalbiretts gehen diesmal nach Asien, drei nach Lateinamerika; Westafrika wird zweimal bedacht. Ein Kuriosum: Das urkatholische, aber von Missbrauchsskandalen schwer gebeutelte Irland ist seit 2019 ohne Stimmrecht im Konklave; Deutschland stagniert seit 2014 bei drei. Künftig 27 Papstwähler gehören einem Orden oder einer geistlichen Gemeinschaft an; also mehr als jeder fünfte. Ein vergleichsweise sehr hoher Stand.

Einer der 20 vom Papst zum Kardinal erhobenen Kandidaten, Richard Kuuia Baawobr (63) aus Ghana, war zwar nach Rom gekommen, konnte wegen akuter gesundheitlicher Probleme aber nicht an der Zeremonie im Vatikan teilnehmen. Der Papst ordnete an, ihm die Kardinals-Insignien durch einen Boten zu überbringen.

In schillerndem Kardinalsrot: geschasster Kurienchef Becciu

Ebenfalls im Kardinalsornat war Giovanni Angelo Becciu bei der Zeremonie im Petersdom zu sehen. Vor gut zwei Jahren hatte Papst Franziskus den damaligen Kurienkardinal plötzlich und ohne Begründung vom Amt als Präfekt der Heiligsprechungskongregation entbunden. Weiter nahm er, so die vatikanische Erklärung damals, Beccius Verzicht auf "die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte" an. Der 74-Jährige, lange Zeit ein enger Vertrauter des Papstes, darf seitdem kein Kurienamt ausüben und dürfte auch nicht mehr an einer Papstwahl teilnehmen.

Hintergrund dürfte ein vatikanisches Gerichtsverfahren sein, in dem er sich seit einem Jahr verantworten muss. Ihm werden Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Am vergangenen Wochenende erklärte der gebürtige Sarde laut Medienberichten bei einer Messe im sardischen Golfo Aranci, Papst Franziskus habe ihn telefonisch zum Konsistorium eingeladen. Der Vatikan hat sich dazu nicht geäußert. 

Und dann machte eine Fußnote in den statistischen Daten zur Kardinalsversammlung die Runde. "In allen Statistiken wird Kardinal Giovanni Angelo Becciu als Nichtwähler angesehen", heißt es dort. Damit wird angedeutet, dass der Sarde teilnehmen darf, aber nicht alle Kardinalsprivilegien zurückerhält. Ende September sitzt er wieder auf der Anklagebank im Vatikangericht.

"Missionarisches Feuer"

In seiner Predigt erinnerte der Papst daran, dass es neben dem großen "missionarischen Feuer", dem die Kardinäle in der Nachfolge Christi verpflichtet seien, auch "die beständige Glut" gebe, die inmitten des Gottesvolkes brenne. Sie werde zum Beispiel von Eheleuten in ihren Familien oder von alten Menschen am Leben gehalten.

Ein Kardinal solle immer beides wichtig nehmen, das große und das kleine: "Ein Kardinal liebt die Kirche, immer mit demselben geistlichen Feuer, ob er nun mit großen oder kleinen Fragen befasst ist, ob er die Großen dieser Welt trifft oder die Kleinen, die vor Gott groß sind", betonte der Papst. Er nannte die Kardinäle Agostino Casaroli (1914-1998) und Francois Xavier Nguyen Van Thuan (1928-2002) als Vorbilder.

Am Samstagabend haben Franziskus und die neuen Kardinäle den emeritierten Benedikt XVI. (2005-2013) in seinem Haus im Vatikan besucht. Wie das Portal Vatican News via Twitter mitteilte, beteten sie zusammen mit dem 95-Jährigen das "Salve Regina".

UPDATE: Siebter Absatz zur Stellung von Giovanni Angelo Becciu. (29.08.2022/mn)

Acht deutsche Kardinäle
Dem Kardinalskollegium gehören derzeit acht Deutsche an: Walter Brandmüller (93), Paul Josef Cordes (87), Walter Kasper (89), Reinhard Marx (68), Gerhard Ludwig Müller (74), Karl-Josef Rauber (88), Friedrich Wetter (94) und Rainer Maria Woelki (66). Von ihnen wären aber bei einer Papstwahl nur die drei unter 80-Jährigen stimmberechtigt: Marx, Müller und Woelki.
München (Marx) und Köln (Woelki) waren bislang traditionell "sichere" deutsche Kardinalssitze; Berlin und Mainz gingen zuletzt leer aus. Das Diasporabistum Berlin verdankte seine kirchenpolitische Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem der weltpolitischen Lage im Ost-West-Konflikt. Für Mainz gaben die jeweiligen Amtsträger Hermann Volk (Bischof 1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016) den Ausschlag.
Nach einer Hoch-Zeit im 19. und 20. Jahrhundert ist die Zahl der deutschen Papstwähler derzeit rückläufig. Der zuletzt ernannte ist Kardinal Müller (2014), den Benedikt XVI. zum Präfekten der Glaubenskongregation machte (2012-2017). Es gab auch Jahrhunderte ganz ohne deutsche Kardinäle. Im 15. Jahrhundert beendete erst die Berufung von Nikolaus von Kues (1401-1464) und Peter von Schaumberg (1388-1469) eine lange Durststrecke der Entfremdung zwischen Rom und den Deutschen. | KNA

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