Offizialat unterstützt privates Hilfsprojekt gegen coronabedingte Einsamkeit mit 12.500 Euro

Neun „Quasselbuden“ für Seniorenheime in Vechta

In Holzhütten mit Plexiglas-Abtrennung können sich Altenheimbewohner in Vechta jetzt ohne Angst vor Corona-Ansteckung mit Besuchern treffen. Ein Dachdecker hatte die Idee und fand viele Unterstützer – darunter auch die Kirche.

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„Das ist wirklich eine große Erleichterung“, sagt Hannelore Fortmann. Die 84-Jährige bekommt normalerweise oft Besuch in ihrem Apartment im Altenheim Haus St. Theresa in Vechta, vom Sohn, der Schwiegertochter, den Enkelkindern - bis Corona kam. Dann wurde es ganz schön umständlich. „Ich konnte nur noch vom Balkon aus mit ihnen sprechen. Ich oben, sie unten.“ Es ging irgendwie, aber mehr auch nicht.

Keine leichte Zeit für die Frau, die erst vor einigen Monaten in das Seniorenheim am Füchteler Wald im Osten der Stadt gezogen ist. Ziemlich einsam habe sie sich besonders während der anfänglich strengen Besuchsbeschränkung gefühlt. „Auf einmal durfte niemand mehr ins Haus kommen. Das war ein ganz schöner Schlag.“ Von heute auf morgen waren Gespräche zuerst nur noch per Telefon möglich, oder eben über den Balkon. Mehr ging ja nicht.

 

Insgesamt neun Hütten gibt es seit Ende Juni

 

Schön war das nicht immer, nicht nur wegen der Entfernung voneinander. Auch fehlte es an Privatsphäre. „Man musste laut rufen und man sah sich nicht richtig.“ Und das Ganze manchmal auch noch bei Wind und bei Regen. Die 84-jährige schüttelt den Kopf und lächelt. „Gut, dass das vorbei ist.“ Und auch auf einen Termin im speziell auf die Corona-Gefahr hin eingerichteten Besucherraum müssen die Bewohner nicht mehr so lange warten.

Denn auch vor dem Haus St. Teresa steht seit Ende Juni eine ganz besondere Holzhütte. Insgesamt neun davon hat die Vechtaer Bürgerstiftung in Zusammenarbeit mit anderen Initiativen und den Bürgerschützen in Seniorenheimen in Vechta und umliegenden Gemeinden errichtet. „Zweisamkeit statt Einsamkeit“ steht in großen Buchstaben auf einem Schild an der Außenwand. Darum geht es auch.

 

Plexiglasscheibe für  Sicherheit

 

Durch zwei separate Eingangstüren gelangen Bewohner und Besucher in die massiv gebauten Holzhütten, die die Organisatoren „Quasselbuden“ getauft haben. Getrennt durch eine Plexiglasscheibe und geschützt vor Wind und Wetter können sie sich dort in Ruhe unterhalten. So sind Infektionen beim Besuch ausgeschlossen.

„Projekt Quasselbuden“ – so lautet auch der Name des Projekts. Hanno Leidig, ein Dachdecker aus Vechtas Nachbargemeinde Bakum, war auf die Idee dazu gekommen. Beteiligt ist auch der Coronahilfsfonds des Bischöflichen Offizialats. Aus diesem Krisen-Sondertopf gab es 12.500 Euro der Gesamtkosten für Material, insgesamt 31.500 Euro. Für den Bau haben die beteiligten Handwerker nichts berechnet.

 

Hütten ergänzen das Besuchsangebot

 

„Auch nach den ersten Lockerungen der Besuchsverbote in niedersächsischen Altenheimen bleiben die neuen Hütten ungemein wichtig", betont Cornelia Ostendorf. Sie gehört zur Geschäftsführung der St.-Hedwig-Stiftung, die neben dem Haus St. Teresa noch drei weitere Altenheime betreibt. Sie hat dabei insbesondere den Schutz der Bewohner vor Infektionen im Blick. „Der war bisher am besten gewährleistet in unseren speziell für die Corona-Situation umgebauten Besucherzimmern." Die Zahl dieser Räume reiche aber nicht aus. „Deshalb ist es gut, dass die neuen Hütten als zusätzliche Möglichkeit hinzugekommen sind."

Die Altenheime der St.-Hedwig-Stiftung machen zwar inzwischen Besuche von Angehörigen in besonderen Fällen auch auf den Zimmern der Bewohner möglich - etwa bei Bettlägerigkeit oder besonders schwerer Erkrankung. „Alle anderen dieser Besuche beschränken wir aber aus Sicherheitsgründen auch weiterhin auf das Besucherzimmer oder die neuen Quasselbuden", sagt Cornelia Ostendorf. Die Stiftung halte sich damit an die für Niedersachsen geltende Verordnung. In Nordrhein-Westfalen ist das anders. Dort müssen Altenheime seit dem 1. Juli sicherstellen, dass Bewohner bis zu zwei Mal am Tag bis zu zwei Personen auch auf den Zimmern empfangen können.

 

Acht Quadratmeter Platz für Begegnungen

 

In den acht Quadratmeter großen Quasselbuden in Vechta ist Platz für mehrere Gäste. Auch Enkelkinder können drinnen bequem spielen, wenn es ihnen mal zu langweilig wird. „Man kommt mal raus. Auch das ist gut“, sagt Hannelore Fortmann, als sie sich mit ihrem Rollator auf den Weg macht, um die Quasselbude beim Haus St. Teresa zu erklären. Sie schätzt auch die Privatsphäre, die die neue Hütte möglich macht. Niemand bekomme mit, was Besucher und Bewohner darin miteinander besprechen.

Auch Judith Wilmerding spürt die Freude der 58 Bewohner im Haus St. Teresa über die Holzhütte vor dem Eingang. Sie ist im Altenheim für Soziale Dienste zuständig und sagt: „Die sozialen Kontakte und die Begegnungen sind ungemein wichtig für sie". Vor Corona sei das überhaupt kein Problem gewesen. „Wir waren ein total offenes Haus. Besucher konnten jederzeit kommen. Das geht nicht mehr.“

 

Vielleicht werden die Quasselbuden auch noch winterfest gemacht

 

Und noch etwas anderes machten die Quasselbuden aus ihrer Sicht wertvoll:  „Sie zeigen den Bewohnern, dass die Menschen draußen an sie denken. Das sei ungemein wichtig: zu wissen, dass sich Menschen draußen Gedanken darüber machen, wie man die Situation der Menschen im Heim verbessern kann.“ Das zeige Wertschätzung und das tue den Bewohnern gut.

Im Moment sind die Quasselbuden wichtig für die Altenheime. Wie lange noch, das kann Cornelia Ostendorf nicht sagen, dafür sei die Lage zu unsicher. Niemand wisse, wie es mit Corona im Herbst weitergehe. „Im Moment bereite ich mich gedanklich darauf vor, die Hütten winterfest zu machen, zum Beispiel mit Isolierung und Heizung."

Der Coronahilfsfonds
Weihbischof Wilfried Theising hat den Coronahilfsfonds des Bischöflich Münsterschen Offizialts Mitte April der Öffentlichkeit vorgestellt. Er umfasst eine Gesamtsumme von 500.000 Euro. Daraus können Projekte unterstützt werden, die sich für Menschen einsetzen, die durch die Corona-Pandemie in Not geraten sind, und für die Betroffenen Hilfen organisieren. Kirchliche, aber auch nicht-kirchliche Gruppen können Zuschüsse beantragen. Theising, Seelsorgeamts-Leiter Markus Wonka, und Landes-Caritasdirektor Gerhard Tepe entscheiden über die Anträge. Information unter www.offizialat-vechta.de/coronahilfsfonds.

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