Juden und Christen an der Bocholter Grenze setzen Zeichen der Versöhnung

Niederländer und Deutsche erinnern gemeinsam an Kriegsende 1945

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich im Mai zum 75. Mal. In der Bocholter Grenzregion erinnern Niederländer und Deutsche erstmals gemeinsam an die NS-Zeit.

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Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg mit der glücklichen Folge, dass die Menschen in Westeuropa seit 75 Jahren in Frieden und Freiheit leben. In den Niederlanden wird das Ende des Krieges in jedem Jahr gefeiert. Im Vorfeld der Feiern für 2020 hatte die politische Gemeinde Aalten dazu aufgerufen, das Jubiläum in der Bocholter Grenzregion gemeinsam grenz- und religionsübergreifend unter dem Motto „Zur Freiheit berufen“ zu begehen.

Durch die Corona-Krise war ein Gottesdienst vor einigen Wochen in der Kirche St. Michael im Bocholter Ortsteil Liedern vorerst die letzte Veranstaltung innerhalb des Projektes. „Alle weiteren mussten leider wegen der Corona-Krise entfallen“, sagt Ruth Overbeck de Sumi.

 

Gedenken in Synagoge und in Kirchen

 

Die Bocholterin gehört zu den Mitmachenden, die das Gedenken an die NS-Opfer in der Grenzregion mitvorbereiten. „Das Projekt soll aber auf beiden Seiten der Grenze wieder aufgenommen werden, sobald dies die Lage in beiden Ländern zulässt“, hofft Overbeck de Sumi.

Einige Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste konnten aber bereits in der Jüdischen Synagoge in Aalten und in Kirchen entlang der deutsch-niederländischen Grenze begangen werden. Eigens dafür hergestellte Banner zeigen die Thora-Rollen der Aaltener Synagoge, die während des Krieges unter dem Boden eines Hauses versteckt wurden und auf diese Weise erhalten blieben. Sie sind die verbindenden Elemente, die auf beiden Seiten der Grenze Woche zu Woche hin und her wanderten.

„Diese Rollen sind als Symbol der Einheit der verschiedenen Religionsgemeinschaften und als Kern des Glaubens gewählt worden“, hatte Elisabeth Löckener bei der Vorbereitung des Gedenkens gesagt. Die engagierte Katholikin gehörte zum Vorbereitungsteam der Gedenkveranstaltungen. „Die Thora, die auch Teil unserer Glaubenstradition ist, ruft die Menschen auf, in Freiheit zu leben“, erläuterte Löckener.

 

Dankbar für 75 Jahre Freiheit und Frieden

 

Ähnlich äußerte sich der Vertreter der niederländisch-israelitischen Kongregation, Ronnie Noach, als er in der Synagoge sagte: „Gemeinsam Freiheit feiern, ist eine schöne Initiative. Es stimmt dankbar, dass wir uns friedlich als Vertreter religiöser Gemeinschaften auf beiden Seiten der Grenze versammeln können, einer Grenze, die uns vor 75 Jahren noch so gnadenlos trennte.“

Anfang März wurden diese Banner von Vertretern der Christelijk Gereformeerde Kerk Aalten in die Gemeinde St. Michael Liedern gebracht. Zuvor hatten sich in Liedern viele Gemeindemitglieder Gedanken zum Thema „75 Jahre Frieden und Freiheit“ gemacht und in verschiedenen aktiven Gruppen 24 Puzzleteile gestaltet.

 

Peace-Zeichen verbindet 24 Puzzle-Teile

 

Beteiligt waren die Kommunionkinder und die Sternsinger, die Messdiener und die Landjugend, der Pfarreirat, der Kirchenvorstand, der Ortsausschuss und das Seelsorgeteam, der Kinderliturgiekreis, der Kirchenchor und die Gitarrengruppe, die Lektoren und Kommunionhelfer, die Landfrauen, die Theatergruppe, der Schützenverein, der DJK-Sportverband und das Team des Ferienlagers, die Seniorengruppe und die Frauen vom Gedächtnistraining, das Team vom Partnerprojekt Vamos juntos in La Paz (Bolivien) und niederländischen Gäste der Christelijk Gereformeerde Kerk aus Aalten.

„Dieses Puzzle, dessen Teile vor der Verteilung durch ein Peace-Zeichen miteinander verbunden worden waren, wurde während des Gottesdienstes in Liedern zum ersten Mal zusammengesetzt“, sagt Ruth Overbeck de Sumi. „Das Besondere dabei war der generationsübergreifende Aspekt: Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren schufen gemeinsam ihr Bild vom Frieden.“  Dabei sei deutlich geworden, „dass die Vorstellungen und Wünsche für ein gutes und friedliches Miteinander sehr ähnlich sind“.

 

Aus dem Puzzle entsteht ein Adventskalender

 

Vor dem Gottesdienst gab es einen Workshop zu Frieden und Freiheit für Kinder der 1. bis 7. Klasse. „Während der Messfeier führten drei Kinder ein kleines Anspiel dazu auf. Andere verteilten während des Friedensgrußes selbstgebastelte Friedenstauben, und während der Kommunion sangen vier junge Mädchen das Lied Imagine von John Lennon als Aufruf für den Frieden“, sagt Overbeck de Sumi.

Das Puzzle soll die Liederner auch in der Adventszeit begleiten. So wird das 24-teilige Puzzle als Adventskalender noch einmal jeden Tag bis Weihnachten zusammengesetzt. „So bleibt das Gedenken ganzjährig, und die Friedensbotschaft erreicht viele Menschen“, sagt Overbeck de Sumi.

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