Caritas kritisiert mangelnden politischen Willen

Offener Ganztag in NRW: Schlecht finanziert, zögerlich geplant

  • Inflation und Tarifsteigerungen: Dem Offenen Ganztag in den NRW-Grundschulen fehlt das Geld.
  • 2025 kommt der Rechtsanspruch auf einen Platz – woher die Räume nehmen?
  • Haltern zeigt: Hier gibt es hohen Bedarf an Ganztagsplätzen und eine vorausschauende Planung.

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Die offene Ganztagsbetreuung in der Grundschule (OGS) erleichtert unzähligen Eltern ihr „Vereinbarkeitsproblem“ und ermöglicht den Kindern eine gute Zeit nach dem Vormittagsunterricht. Mit der Finanzierung der OGS steht es allerdings Spitz auf Knopf.

Inflationsbedingte Preissteigerungen und höhere Tariflöhne sind die beiden drängendsten Auslöser. Sie haben die freien Träger des Ganztagsangebots einerseits genötigt, die Zwangslage zunächst mithilfe eigener Rücklagen zu überbrücken. Andererseits wächst der Betreuungsbedarf ständig und wird 2025 zu einem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz führen – dafür sind aber an vielen Standorten die Räume nicht ausgelegt.

Bleibt Caritas auf Kosten sitzen?

„Problematisch ist, dass etliche Kommunen die Gehaltssteigerungen aus dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst aus 2022 sowie auch die Inflations-Einmalzahlung zwar an die eigenen Angestellten auszahlen, aber nur sehr zögerlich an die freien Träger weiterreichen“, kritisiert Sigrid Schmeddes, Referentin für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Caritas im Bistum Münster.

Die Arbeitsverträge der Caritas, die im gesamten Bistum Münster 15.000 Kinder im Offenen Ganztag betreut, richten sich ebenfalls nach dem Öffentlichen Tarif – bleibt die Caritas auf diesen zusätzlichen Kosten sitzen? „Wir machen hier einen Job für den Staat und müssen Geld mitbringen, um unsere Arbeit tun zu dürfen. Das kann nicht sein“, kritisiert Schmeddes.

Ergänzungskräfte im Ganztag fallen weg

Ein weiteres Problem betrifft die OGS-Arbeitsverträge im kommenden Schuljahr. Fehlen feste kommunale Förderzusagen, könnten bestehende Verträge weder verlängert noch neu ausgeschrieben werden, so Schmeddes. Die Sommerferien nahen – die bisher angestellten Ergänzungskräfte schauten sich deshalb bereits nach einem neuen Job um, ab August fehlten sie dann.

Mit Blick auf den für das Jahr 2025 geplanten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz beobachtet Sigrid Schmeddes äußerst unterschiedliche Voraussetzungen vor Ort je nach Finanzkraft der Stadt: „Mancherorts werden nachmittags bis zu 50 Grundschulkinder gleichzeitig in einem Klassenraum betreut, in dem vormittags Unterricht für 30 stattfindet. An anderen Standorten gibt es dagegen eigene Komplexe nur für die Ganztagsbetreuung.“

Von 12 auf bald 100: Haltern zeigt, wie es geht

Dass der hohe Bedarf auf eine vorausschauende Planung treffen kann, zeigt das Beispiel Haltern. In den Ortsteilen Hullern und Lavesum betreibt der Caritasverband Ostvest zwei OGS-Standorte. „Vor acht Jahren“, sagt Kinder- und Jugendhilfe-Fachmann Kay Esser, „gab es in Lavesum zwölf Kinder in der Übermittagsbetreuung. Man wollte den Standort schon schließen. Dann aber kamen neue Baugebiete und in der Folge 60 Kinder in die OGS.“

Derzeit gibt es in den beiden Schulen noch OGS-Platzreserven bis 80. Mit Blick auf den Rechtsanspruch wird die Kapazität bereits jetzt auf 100 Plätze ausgebaut – auf Kosten der Stadt Haltern, die selbst erst 2021 den Weg aus der NRW-Haushaltssicherung geschafft hatte und nun dennoch in die Jugendhilfe investiert.

Frisch kochen ist teuer

Der Caritas als Trägerin des OGS-Angebotes freut sich einerseits über das Engagement der Kommune, andererseits über die Unterstützungsbereitschaft aus der Bürgerschaft. Der Verband versucht, sich selbst zukunftsfest aufzustellen, und hat deshalb 2019 die Verbände Datteln/Haltern und Waltrop/Oer-Erkenschwick zur Caritas Ostvest fusioniert. Allein damit ist es aber nicht getan.

Die tarif- und inflationsbedingten Mehrkosten – „8 plus 6 Prozent“, rechnet Esser vor – habe man zum Glück aus eigener Kraft auffangen können. Künftig muss man aber auch in Haltern an allen Stellschrauben drehen. Beispiel Mittagessen: In der neuen OGS-Küche wird immer noch selbst frisch und regional gekocht, Fleisch und Fisch werden allerdings längst preisgünstiger von einem Caterer zugeliefert. Die Kosten für ein Mittagessen wurden nach über zehn Jahren von 2,60 Euro auf 2,80 Euro angehoben, die Abrechnung auf Monatspauschalen umgestellt. Das reiche längst nicht, die Personalkosten drückten auch in der Hauswirtschaft. Aber, so Esser: „Wir würden den Eltern ungern noch mehr aufbrummen“.

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