Der Online-Pfarrer aus Ibbenbüren im Interview

Pfarrer Martin Weber: „Digital Detox“- Macht das Sinn?

„Digital Detox“ heißt soviel wie „Entgiften vom Umgang mit dem Mobiltelefon“. Während Krankenkassen dafür sind, spricht sich ausgerechnet ein Pfarrer gegen diese Art von Fasten aus. Warum, erklärt Martin Weber im Interview.

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Pfarrer Martin Weber, 62, begeistert sich seit frühester Kindheit für Technik aller Art. Als einer der ersten Seelsorger im Bistum war er in den sozialen Medien aktiv. In der Online-Seelsorge des Bistums Münster steht er Rat-suchenden per E-Mail und im Chat zur Seite. Kirche+Leben-Redakteurin Marie-Theres Himstedt hat sich mit ihm über „Digital Detox“ unterhalten.

Pfarrer Weber, wie oft nehmen Sie das Handy zur Hand?

Ganz oft. Ich zähl‘ das gar nicht, aber von morgens bis abends schon ziemlich oft.

Haben Sie sich in der Fastenzeit „Digital Detox“ vorgenommen?

Nein. Ich kann mit dem Begriff auch nichts anfangen. Es kommt ja auch immer darauf an, aus welcher Richtung man das sieht. Wenn ich sage, ich muss mich entgiften vom Smartphone, dann heißt das ja auch, dass ich da für mich in meinem Umgang mit meinem Gerät ein Problem sehe. Für mich ist es einfach ein Handwerkszeug geworden, das ich sehr schätze und das mir die Arbeit sehr erleichtert. Auch privat kann über mein Smartphone gut Kontakte halten.

Die andere Sache ist: Was mache ich persönlich in der Fastenzeit? Da ist tatsächlich Abnehmen ein Dauerthema bei mir.

Also Fasten mit dem Handy ist nicht so Ihr Ding?

Mir ist noch nicht ganz klar, woher die Einschätzung kommt, dass der Umgang mit dem Handy Druck ausübt. Ich sehe durchaus, dass es Menschen gibt, die vielleicht Stress haben mit ihrem Handy, oder die der dauerhafte Umgang mit ihrem Gerät krank macht. Ich sehe keinen Leidensdruck, dass die Nutzung des Handys ein generelles Problem ist. Diese neue Technik hat unser Leben verändert. In der Bahn sitzen die Menschen halt mit ihren Geräten in der Hand. Auf alten Fotos waren das große Zeitungen. Groß kommuniziert untereinander wurde damals auch nicht. Früher haben die Leute vielleicht gesagt, Fernsehen ist schlecht, oder Comics lesen ist schlecht.

Nochmal nachgefragt: Was halten Sie denn vom Entgiften mit dem Handy?

Man kann vielleicht besser von einem bewussteren Umgang sprechen, statt von Entgiften. Ich habe zu dem Thema eine andere Meinung: Viele, die mit ihrem Handy unterwegs sind, betreiben Echtzeit-Kommunikation. Sie reden mit Menschen – nur eben über digitale Kanäle, weil diese Menschen weiter weg sind. Da kann das natürlich auch mal stören. Aber der reale Kontakt bricht ja nicht weg.

Pfarrer Martin Weber
Für Pfarrer Martin Weber sind Selfies kein Problem. | Foto: privat

Ich finde es wichtig, dass es bestimmte Vereinbarungen gibt, nicht nur in der Fastenzeit. Vielleicht als Beispiel: Wenn ich in die Messe gehe, schalte ich das Gerät automatisch stumm. Wenn ich mit jemandem essen gehe, und es besteht keine besondere Notwendigkeit, erreichbar zu sein, dann werden die Handys abgeschaltet. Und wo mich der Umgang des anderen stört, kann ich das in dem Moment auch benennen. Diesen Umgang mit dem Handy muss man sicherlich lernen. Ich denke aber schon, dass es im Umgang mit dem Handy einen gesellschaftlichen Konsens gibt. Es ist ja auch wie beim Konsum von Alkohol, Süßigkeiten oder bei Online-Spielen: Zuviel ist nicht gut.

Wie können Sie in der Seelsorge von dem Smartphone profitieren?

Es macht natürlich die Kommunikation schneller. Wenn ich also Absprachen mit einem Bestattungsunternehmer für eine Beerdigung treffe, geht das manchmal über Messangerdienste wie WhatsApp schneller. Neulich hat sich jemand telefonisch nach einem Jahresgedächtnis erkundigt. Da konnte ich digital in den Kirchenkalender zugreifen und den Termin sofort eintragen. Trotz aller Digitalisierung: Die direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch bleibt ja trotzdem bestehen. Die Dateiverwaltung ist  für alle Pfarreimitarbeiter zentral über die Cloud zugänglich, das ist praktisch. Ich habe das Stundenbuch als App dabei und muss nicht gucken, welches Buch jetzt dran ist. Ich lese viel digital auf meinem EBook-Reader. Meine Wohnung wurde zunehmend von Bücherregalen verstellt, die gebe ich auch so nach und nach ab. Ich kann mir besser einen Aufsatz digital für 2,50 Euro bestellen, als in einer großen Biblio­thek aufwändig zu suchen und zu kopieren. Das hat sich total verändert. Ich habe gestern das erste Mal Geld bei der Bank über mein Handy abgeholt. Auch das geht mittlerweile.

Wie wird denn die Fastenzeit in Ihrer Pfarrei begangen?

Wir verzichten nicht auf das Handy, falls Sie das meinen. Wir haben in unseren zehn Kirchen ganz viele Angebote – vom ökumenischen Gebetsabend, Fas­tenessen, Gottesdienst, interkultureller Begegnung der Frauen bis hin zur Einladung zum persönlichen Gespräch.

... für das ich mich auch ganz herzlich bei Ihnen bedanke.

Info:
Der Internetauftritt der Online-Seelsorge im Bistum Münster:
www.haus-der-seelsorge.de

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