Karl-Rudolf Korte spricht in Münster über „Sicherheitsdeutsche“

Politik-Experte Korte zur Bundestagswahl: „Sog der Mitte“ bleibt stark

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„Fürchtet euch nicht! Gehen Sie zur Wahl!“, lautete die zentrale Botschaft von Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte bei seinem Vortrag im Rahmen der „Domgedanken“ in Münster. Von den „Sicherheitsdeutschen“, wie Korte nüchtern sagte, erwartet er keine großen Überraschungen. In vier Thesen stellte der Wissenschaftler die politische Lage in Deutschland dar.

„Fürchtet euch nicht! Gehen Sie zur Wahl!“, lautete die zentrale Botschaft von Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte bei seinem Vortrag im Rahmen der „Domgedanken“ in Münster. In 45 Minuten präsentierte der Experte vier Thesen zum Ausgang der Bundestagswahl 2021, die pointiert die politische Lage darstellen.

Von den „Sicherheitsdeutschen“, wie Korte nüchtern sagte, erwartet er keine großen Überraschungen. Obwohl mit dem Ende des „Merkelismus“, einer empörungsresistenten, deeskalierenden Politik, eine Zäsur anstehe, und Zeit für etwas Neues sei, gebe es keine Anzeichen für eine „krasse Wechselstimmung“. Es bleibe wohl bei der politischen Mitte, wofür sich 73 Prozent der Wahlberechtigen bei der Wahl 2017 entschieden. Doch welche Partei der Mitte gewählt werde, bleibe offen.

 

Coronavirus entscheidet die Bundestagswahl

 

 „Das Coronavirus entscheidet die Wahl“, lautet Kortes erste These. Inzwischen sei Deutschland eine „geimpfte Republik“, ein Zustand der vor wenigen Monaten noch nicht zu erwarten gewesen sei. Die Pandemie habe die Gesellschaft staatsfrömmig gemacht. Der Amtsbonus sei bei Wahlen in den vergangenen Monaten deutlich geworden, obwohl der Staat immer wieder überfordert gewesen sei. „Das Gelbfieber“, das Wiedererstarken der FDP, sei aus dieser Überforderung erklärbar, sagt der Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen.

„Wähler haben das Wahlverhalten spätmoderner Konsumenten“, ist die zweite These. Das heißt, es habe zwar im Jahr 2017 mehr als 50 Prozent Wechselwähler gegeben. Der „Sog der Mitte“ bleibe allerdings, nur die Partei könne wechseln. „Wir sind Extremisten des Normalen“, sagt Korte. Deshalb hätten Kandidaten mit „Büroleitercharme“ gute Chancen. Extreme Positionen, wie die der AfD, hätten in Zeiten der Pandemie an Wählerzustimmung verloren.

 

„Bananenrepublik“ und „asoziale Medien“

 

„Privat sind die Deutschen zufrieden, doch öffentlich unzufrieden“, so These drei. Privat laufe es bei vielen Bürgern gut, doch öffentlich sei Empörung der Normalzustand. Im Februar/März habe man sich in einer „Bananenrepublik“ befunden. Nichts habe geklappt, sei laut Korte der Eindruck von vielen gewesen. Die „Coronakratie“ musste aus der Distanz regieren, überall herrschte Mangelverwaltung, insbesondere in Sachen Impfstoffe. Viele Bürger fühlten sich von der Politik allein gelassen, insbesondere wenn Existenzen bedroht waren.

Hinzu komme eine unzureichende politische Kommunikation, vor allem in den „asozialen Medien“, wie Korte Medien wie „Facebook“ nennt. In dieser Gegenöffentlichkeit gewinne oft die Lautstärke gegen die Relevanz einer Nachricht. So würden unterschiedliche Wirklichkeiten geschaffen, die einer Demokratie schadeten.

 

„Keine Entscheidung ist alternativlos“

 

Die vierte These: Die Bundestagswahl entscheidet über den Zustand der Widerstandsfähigkeit der Demokratie. Die Pandemie habe deutlich gemacht, dass „keine Entscheidung alternativlos ist.“ Alles ginge. „Haben Sie gedacht, dass wir in Europa nochmal die Grenzen schließen? Oder dass Homeoffice wirklich funktioniert?“, fragte der Politologe in die Runde.

Alles sei möglich, doch der Staat und die Politik sollten sich auf Überraschungen vorbereiten und aus Fehler der Vergangenheit lernen. Sonst könnte immer wieder Angst aufkommen, die ganz schlecht für die Demokratie der „Sicherheitsdeutschen“ sei. Demokratie brauche Zuversicht und eine hohe Wahlbeteiligung, schloss Korte vor knapp 300 Zuhörern.

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