Schmidinger: Weiterhin eine Minderheit

Politologe: Katholische Traditionalisten, wie die Piusbrüder, mit Zulauf

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Die Traditionalisten bilden in der katholischen Kirche weiterhin eine Minderheit. Dennoch haben sie während der Pandemie regen Zulauf erfahren und verbünden sich mit der extremen Rechten.

Traditionalistische Gruppen sind nach Auffassung des Wiener Politikwissenschaftlers Thomas Schmidinger in der katholischen Kirche eine kleine, zersplitterte Minderheit. Dennoch gewönnen sie an Einfluss und versuchten langfristig, ihre Position auszubauen, sagte er in einem Interview des Internatportals katholisch.de.

Gerade in der Corona-Krise habe die Szene insgesamt und dabei ganz besonders die Piusbruderschaft eher an Zulauf gewonnen, sagte der Wissenschaftler. „Das liegt auch daran, dass die Mainstream-Gemeinden der katholischen Kirche sich an alle Auflagen des Staates gehalten haben und eine Zeit lang ihre Gottesdienste eingestellt haben. Da sind Leute, die ohnehin schon am konservativen Rand dieser Mainstream-Gemeinden waren, teilweise bei der Piusbruderschaft gelandet.“

Schmidinger: Traditionalisten mit langfristiger Strategie

Die Piusbruderschaft lehnt die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) etwa zur Liturgie, zur Ökumene und zur Religionsfreiheit ab. Der Gründer der Gemeinschaft, der 1988 exkommunizierte Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), weihte 1976 gegen ein päpstliches Verbot Priester und 1988 auch vier eigene Bischöfe.

Aus Sicht von Schmidinger verfolgen die Traditionalisten in der Kirche eine langfristige Strategie. „Man rechnet damit, dass die liberalen Katholiken sowieso irgendwann das Weite suchen und die Kirche verlassen und dass sie als die treuesten Katholiken irgendwann die Mehrheit innerhalb der Kirche haben und sie sozusagen übernehmen können.“

Schnittmengen mit extremer Rechten

Der Politikwissenschaftler sieht Überschneidungen zwischen katholischen Traditionalisten und rechten und rechtsradikalen Kreisen. Das habe sich etwa in Protesten gegen eine Impfpflicht gezeigt. Was sie auch eint, sei ein ganz strikter Antimodernismus. „Dazu gehört ein strikter Antiliberalismus, aber auch ein Antisozialismus und Antikommunismus, eine Ablehnung der Geschlechtergleichheit oder von Rechten für Homo- oder Bisexuelle.“

Anders als in Frankreich oder Österreich gebe es in Deutschland eine weniger große Nähe katholischer Traditionalisten zu politischen Parteien, sagte der Politologe. So gebe es in der AfD eher Leute aus dem evangelikalen Fundamentalismus. „Aber natürlich haben sehr viele Werthaltungen, die von katholischen Traditionalisten verfolgt werden, Schnittmengen mit der extremen Rechten, ganz besonders natürlich die antiislamischen und antijüdischen Positionen.“

Gegen die evangelischen Kirchen

Innerkirchlich arbeite sich das Gros der traditionalistischen Gruppen am Zweiten Vatikanischen Konzil ab, sagte der Politikwissenschaftler. Zentrale Themen seien die Ablehnung der „Neuen Messe“, aber auch gesellschaftspolitische Neupositionierungen der Kirche wie die Akzeptanz der Menschenrechte, die Versöhnung mit der Demokratie, Ökumene oder interreligiöser Dialog.

Ganz strikt wendeten sich katholische Traditionalisten auch gegen die evangelischen Kirchen. Zudem gebe es starke Verschwörungstheorien mit Blick auf einen vermeintlichen Glaubensabfall. „Alle diese Gruppierungen haben mehr oder weniger explizit die Vorstellung, dass es mit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Unterwanderung des Vatikans und der katholischen Kirche durch eine freimaurerische, möglicherweise auch freimaurerisch-jüdische Verschwörung gegeben hat.“

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