Bundesweit predigen Frauen – das motiviert eine Mitwirkende

Predigerinnentag: Ursula Hüllen predigt „aus Notwehr“

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Am bundesweiten Predigerinnentag der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) am 17. Mai beteiligt sich auch Ursula Hüllen aus Coesfeld. Weil sie darin ein wichtiges Zeichen dafür sieht, dass die Kirche ohne eine möglichst große Vielfalt keine Chance mehr hat.

„Aus Notwehr.“ Ursula Hüllens Antwort hat es in sich. Das kommt bei der 68-Jährigen häufiger vor, wenn sie über ihr kirchliches Engagement spricht. Sie sagt die Dinge geradeheraus, nimmt kein Blatt vor dem Mund, kann auch mal provozieren. Wie jetzt, als sie beschreibt, warum sie sich rund um den Predigerinnentag fünf Mal an die Ambos in den Kirchen der Pfarrei St. Lamberti und St. Johannes in Coesfeld stellen wird. Eben „aus Notwehr“.

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Sie sieht die Kirche in Deutschland in einem schlechten Zustand. „Desolat“, nennt Hüllen das. „Die Menschen laufen ihr scharenweise weg, gerade nach den großen Krisen der vergangenen Jahre.“ Für sie ist jetzt jedes positive Zeichen wichtig.

Der bundesweite Tag am 17. Mai, an dem in ganz Deutschland Frauen in Gottesdiensten predigen werden, ist in ihren Augen ein solches. „Es ist vielleicht eine letzte Chance zu zeigen, wie Kirche von unten ohne Klerikalismus funktionieren kann.“

Verzicht auf Potenziale

Hüllen empfindet, dass sich „eine Parallelwelt aufgetan hat“. In Pfarrgemeinden und Verbänden sieht sie großes ehrenamtliches Engagement und den Willen, „Kirche so zu gestalten, dass sie die Menschen erreicht.“ Wenn Laien und Laiinnen aber von der Verkündigung des Wortes Gottes in Predigten ausgeschlossen würden, werde auf ein großes Potenzial dieser Menschen verzichtet. „Und wir brauchen gerade jetzt den gesamten Reichtum der Kirche.“

Ein Blumenstrauß ist für sie das passende Beispiel. „Er darf nicht nur eine Blumensorte oder eine Farbe haben, sondern muss so bunt sein wie das Leben – sonst erreichen wir einige Menschen und Gruppen nicht mehr.“

Das wäre bei der Gruppe der Frauen besonders fatal, sagt Hüllen. Nicht nur, weil sie in der ehrenamtlichen Arbeit vor Ort eine zentrale Rolle spielen. Sondern auch, weil die bereichernden Sichtweisen von Frauen „außen vor“ gelassen würden. „Wir sind es doch, die den größten Part in der Glaubensvermittlung in der Familie und den Katechesen übernehmen – und in den Gottesdiensten sollen wir das nicht dürfen?“

Als Pastoralreferentin und geistliche Begleiterin schon immer gepredigt

Den Predigerinnentag selbst findet sie ein wichtiges, weil öffentliches Zeichen. Wenngleich sie grinst, wenn sie bei diesem Thema von ihren Stationen als Pastoralreferentin und Geistliche Leiterin im Kolpingwerk Coesfeld berichtet. „Wir haben da schon immer alle gepredigt“, sagt Hüllen. „Das war in den Seelsorgeteams ausdrücklich erwünscht, auch um die Geistlichen im Arbeitspensum zu entlasten.“ In der Pfarrei in Duisburg war das so, später in Reken ebenfalls. „Im Verband sowieso – da war das immer auch ein politisches Statement.“

Eine Beschwerde kam nie bei ihr an. „Weder aus der Gemeinde noch aus Münster.“ Obwohl das Verbot der Laienpredigt in den 1980er Jahren aus Rom noch einmal deutlich formuliert wurde. „Wir haben immer gesagt, dass wir weitermachen werden bis zur ersten Abmahnung.“ Die kam aber nie.

Sie will ermutigen

Hüllen ist immer noch mit vielen Aufgaben ehrenamtlich in der Pfarrei in Coesfeld aktiv. Auch in der Katholischen Frauengemeinschaft (KFD), im Liturgie-Team und bei Maria 2.0. Darin wird deutlich, dass sie die Rolle der Frau in der Kirche besonders im Blick behalten hat. „Obschon es viele andere Baustellen gibt.“

Wenn sie am Predigerinnentag über den Respekt vor jedem Blickwinkel im Glauben sprechen wird, wird das deutlich werden. Sie weiß, dass sie mit ihren Worten keine Berge versetzen wird, sagt sie. „Aber vielleicht die eine oder andere ermutigen, sich selbst mal vor die Gottesdienstgemeinschaft zu stellen.“ Hüllen überlegt, ob sie dafür auch auf die Albe verzichtet, die dabei sonst getragen wird. „Um noch mehr Distanz abzubauen.“

Eine Distanz, die längst nicht mehr zeitgemäß ist, sagt sie. „Ein Predigtverbot für Frauen im dritten Jahrtausend – das muss man sich mal vorstellen!“ Hüllen ist anzusehen, wie sehr sie dieser Gedanke irritiert. „Was glauben die denn, was passiert, wenn wir Frauen mehr Möglichkeiten bekommen?“, fragt sie dann mit der ihr eigenen pointierten Schärfe. „Meinen die, dass die Kirche dann zu einem Kaninchenzüchter-Verein wird?“

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