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Beim Podium „Nun sag', wie hast du's mit der Religion?“ wirkt an diesem Samstag auch der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, mit. Das hat bereits vor dem Katholikentag für heftige Diskussionen gesorgt. Dazu äußert sich Liane Bednarz, Publizistin und Autorin des Buches „Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“.
Frau Bednarz, Sie haben sich intensiv mit Christen in der AfD befasst. Finden Sie es richtig, dass ein AfD-Vertreter in Münster spricht?
Ja, ich finde es richtig. Ich habe ja selber auf dem Evangelischen Kirchentag mit der damaligen Bundesprecherin der „Christen in der AfD“ diskutiert. Es gibt einen Hauptgrund, warum man das machen sollte: Es ist sehr wichtig, das AfD-Gedankengut zu entkräften, und das gelingt nicht, indem man AfD-Vertreter generell ausgrenzt. Und in einer öffentlichen Diskussion besteht die Chance, gerade auch Menschen zu erreichen, die rechtes oder speziell AfD-Gedankengut adaptiert haben. Wenn man nur unter sich bleibt, hören diese Menschen meistens gar nicht mehr zu.
Wie sollten denn Besucher des Podiums mit Herrn Münz umgehen? Ihn ausbuhen?
Nein, man sollte ganz generell im Umgang mit AfD-Mitgliedern oder Rechten zwischen Haltung und Person unterscheiden – sprich: man sollte ihn höflich behandeln. Herr Münz ist nach meiner Erfahrung niemand, bei dem man die Sorge haben muss, dass er verbal gegenüber Gesprächspartnern auf dem Podium entgleist. Aber man muss seine Positionen hart angreifen und sich damit dezidiert auseinandersetzen und ihn konkret fragen, ob und wie weit er besonders radikale AfD-Positionen mit dem christlichen Menschenbild für kompatibel hält.
Herr Münz hat aktiv in einer rechtsradikalen FacebookGruppe namens „Die Patrioten“ gepostet. Spricht das nicht gegen seinen Auftritt?
Bei diesem Punkt kann man tatsächlich sagen: Das macht seine Teilnahme auf dem Katholikentag wirklich sehr heikel. Allerdings ist bisher nicht öffentlich bekannt, was er gepostet hat. Deshalb ist seine Mitwirkung auf dem Podium eine gute Gelegenheit, ihn zu fragen, was er geschrieben hat, ob er wusste, in welchem Umfeld er sich dort bewegt, und wenn ja, warum er das getan hat und was er jetzt dazu sagt.
Manche Mitglieder der Alternative für Deutschland behaupten, die AfD sei die Partei, die im Unterschied zu anderen wirklich christliche Werte vertrete, etwa beim Lebensschutz. Wie sehen Sie das?
Da muss man genau hinschauen. Die AfD sieht beim Lebensschutz die Abtreibung zwar generell kritisch, aber sie vermengt sie an einer Stelle im Grundsatzprogramm mit demographischen Erwägungen. Dort beklagt sie die hohen Abtreibungszahlen im Zusammenhang mit einer von ihr angestrebten – wie sie es nennt – „aktivierenden Bevölkerungspolitik“ mit dem Ziel einer „höheren Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“. Wer bei den Abtreibungszahlen in solchen Kategorien denkt und nicht ausschließlich sagt: „Jedes werdende Leben ist vor Gott gleich“, sprengt den Rahmen des universalistischen Christentums.
Vertritt die AfD wirklich so christliche und familienfreundliche Werte, wie sie behauptet?
Sie pickt sich im Grunde nur ein paar Punkte heraus. Nur weil die AfD gegen Abtreibung ist, heißt das ja nicht, dass sie deshalb eine christliche Partei ist, schon gar nicht mit der Stimmungsmache, die AfD-Vertreter gegen die etablierten Medien, die etablierte Politik, aber auch gegen muslimische Flüchtlinge und gegen den Islam betreiben. Diese häufig sehr rabiate, auch ausgrenzende Rhetorik passt mit dem Christentum schlichtweg nicht überein, sondern macht aus ihm de facto eine Art Abwehrbollwerk zur vermeintlich notwendigen Rettung des Abendlands. Auch neigen AfD-Christen dazu, den zentralen christlichen Begriff der Nächstenliebe örtlich zu interpretieren, sodass Flüchtlinge „Fernste“ sind und von vornherein nicht davon erfasst sind.