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Längst ist Lissabon, die hügelige „Stadt des Lichts“ an Tejo und Atlantik, kein Geheimtipp mehr. Doch nicht alles, was gemeinhin als Highlight verkauft wird, hinterlässt wirklich einen nachhaltigen Eindruck. Kirche-und-Leben.de-Chefredakteur Markus Nolte war mehrfach dort, auch mit Leserinnen und Lesern in Kooperation mit unserem Partner Emmaus-Reisen. Hier sind seine zehn Tipps für Kirchen, Kultur und coole Spots, damit Lissabon garantiert in tiefer Erinnerung bleibt.
Keine Hauptstadt in Europa ist derart entspannt und zugleich so angesagt wie Lissabon. Ich habe mich sofort in diese Mini-Metropole mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern verliebt – in diese „Stadt des Lichts“ mit seinen eng auf eng stehenden pastellfarbenen Häusern und ihren roten Dächern, wie Rom gebaut auf sieben steilen Hügeln, geprägt vom breiten, gemächlichen Fluss Tejo, der aus Spanien kommend bald hinter der Uferpromenade der Stadt in den atlantischen Ozean mündet. Kein Wunder, dass Lissabon so überschaubar und doch weltstädtisch, traditionsreich und abenteuerlustig, freundlich und stolz zugleich ist.
Die Haupt-Blütezeit der Stadt war die Zeit um 1500: Das Mittelalter endete, die frühe Neuzeit begann. Die Welt veränderte sich komplett – ähnlich wie heute wieder: Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen ließ die Seefahrer nach neuen Wegen Richtung Indien suchen – Vasco da Gama entdeckte so von Lissabon aus den Südweg um Afrika herum, Columbus Amerika. Humanismus und Reformation beendeten die geistliche und politische Allmacht der katholischen Kirche. Der Buchdruck wurde erfunden, ein neues Weltbild entstand, Nationalstaaten bildeten sich. 1755 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben der Stadt und ist wie eine tiefe Wunde in den Seelen der Menschen präsent bis heute. Das große Beben und ein anschließender Tsunami zerstörten zwei Drittel der Stadt, Tausende kamen ums Leben.
Parallelen zu unserer Zeitenwende
Parallelen zu unserer Zeitenwende sind unübersehbar: Das Wertegerüst der Welt wankt, die Religion und Kirche erleben massive Umbrüche, die Staaten sortieren neu ihre Verhältnis zueinander, die Digitalisierung öffnet unbekannte Welten, Kommunikation revolutioniert unser Miteinander beinahe täglich, Klimawandel verändert Meer und Land.
Wer nach Lissabon kommt, kann in kurzer Zeit Großartiges sehen – neben dem Leben der Stadt beeindruckende Kirchen und Kulturdenkmäler, Altes und Modernes, Unterhaltsames und Besinnliches. Hier meine zehn Tipps für einen Besuch in der westlichsten Hauptstadt des europäischen Kontinents – auch nach dem Weltjugendtag, der Anfang August 2023 mehrere Hunderttausend Jugendliche aus aller Herren Länder und sogar Papst Franziskus nach Lissabon bringt.
Die romanische Kathedrale
Die romanische Kathedrale (Sé Patriarcal) von Lissabon. | Foto: Markus Nolte
Die Bischofskirche gilt als das älteste Gotteshaus der Stadt. Kein Wunder, dass sie in Alfama errichtet ist, dem ältesten Stadtviertel von Lissabon, im Südosten, nah dem Fluss. Von außen mit ihren beiden Türmen einigermaßen unspektakulär, ragt sie kaum über die benachbarten Gebäude hinaus. Innen aber empfängt der dunkle Raum mit wohltuend bergender, romanischer Ruhe. Wer ein paar Euro erübrigen kann, sollte den Chorumgang durchschreiten – und entdeckt faszinierende gotische Grabmäler in den Conchen: eine lesende Dame auf einem Sarkophag, gegenüber ein adeliger Herr, zu dessen Füßen sein Hund wacht.
Grabmal mit Hund und Herrchen im Chorumgang der Kathedrale. | Foto: Markus Nolte
Der Domschatz ist so spektakulär nicht, wohl aber lohnt sich ein Besuch wegen des Blicks aus den Fenstern des Museums auf den Tejo und weiter von der Orgelbühne unterm Gewölbe ins Innere der Kathedrale. Wen es interessiert: Das Gotteshaus ist Sitz eines Bischofs, der - wie außer ihm nur der Erzbischof von Venedig - residierender Titularpatriarch ist.
São Vicente de Fora
auf das Pantheon von Lissabon und den Tejo. | Foto: Markus Nolte
Das gewaltige, von Weitem strahlende Augustinerkloster São Vicente de Fora mit seiner nicht minder gewaltigen Kirche erschlägt beinahe in seinem wuchtigen Protz. Einen Blick in den Innenraum und auch in die zwei weißen Kreuzgänge mit vielen wunderbaren Azulejos, also den typischen blauen Kachelbildern, und zur Grablege der portugiesischen Könige und Patriarchen sollte man aber ruhig werfen. Überwältigender aber wird es, wenn man Kirche und Kloster aufs Dach steigt. Gegen einen kleinen Euro-Betrag ist das möglich – und so erwartet ein Ausblick auf Tejo und Hafen, Pantheon und die gesamte Stadt. Es heißt es gebe keinen schöneren. Vor allem nutzen ihn nur wenige!
Graffiti-Straßen hoch zum Miradouro de Graça
Lissabon ist voll von Graffiti, besonders auf dem Weg hoch zum Aussichtspunkt "Miradouro de Graça". | Foto: Markus Nolte
Nicht weit von São Vicente entfernt geht es hoch zum Miradouro de Graça, einem Aussichtspunkt, der nicht nur mit einer ähnlich spektakulären Sicht auf Lissabon, sondern vor allem mit schattigen Bäumen, oft Straßenmusik und Touristen aller Nationalitäten aufwartet. Von dort gibt es aber auch einen spektakulären, schmalen Weg hinunter Richtung Praça Martim Moniz: Er ist voll mit Graffiti-Kunst, wie überhaupt die schrillbunten, fantasiereichen Wandbesprühungen an vielen Mauern und sogar großen, mehrstöckigen Häuserfassaden Lissabons zu bestaunen ist. Tipp für lahme Füße: Man kann den Weg auch andersherum gehen, und dann wird’s bequemer – einer famosen Freiluft-Rolltreppe von der Praça Martim Moniz sei dank.
Convento do Carmo
Das beim großen Beben von 1755 zerstörte Karmeliterkloster ragt weit sichtbar über Lissabon. | Foto: Markus Nolte
Genau auf der anderen Seite, in der Oberstadt Bairro Alto, liegt das ehemalige Karmeliterkloster – beziehungsweise das, was das große Beben von 1755 davon übriggelassen hat. Wie ein Gerippe steht es da, und doch hat es eine merkwürdig erhebende Wirkung, inmitten der dachlosen Kirche unter freiem Himmel zu stehen. Das macht auf eine Weise melancholisch, auf andere Weise aber bewegt es, dass dieser offene Raum noch immer steht, heute genutzt für Ausstellungen und Konzerte. Der quirligen, stolzen Stadt unter ihr sagt sie – wie auch den Besuchern – mehr als deutlich, dass nichts für immer bleibt.
Nach oben führt der wohl weltweit einzige Jugendstil-Aufzug, der nach einer Heiligen benannt ist: der Elevador Santa Justa mit zweifellos kolossaler Aussicht auf der oberen Plattform, der in jedem Stadtführer angepriesen wird. Allerdings: eine Touristenattraktion, für die man lange anstehen muss, wenig Platz hat und viel bezahlt. Eine Alternative gibt es ein paar hundert Meter weiter nördlich mit dem Ascensor da Gloria, einem Cable Car wie in San Francisco, das vom nördlichen Ende der Praça dos Restauradores abfährt. Es ist um einiges preiswerter, lustiger und luftiger – und oben angelangt, kann man das verträumte Viertel Bairro Alto auch schlendernd erkunden.
Cristo Rei – die riesige Christusstatue
Nicht Golden Gate, sondern Brücke des 25. April - sie führt über den Tejo zum Christusstaue. | Foto: Markus Nolte
Ans kalifornische San Francisco erinnert in Lissabon alledings nicht nur das eine oder andere Cable Car, sondern vor allem die gewaltige, rot leuchtende Brücke über den Tejo. Sie heißt allerdings nicht „Golden Gate Bridge“, sondern „Brücke des 25. April. 1966 errichtet, erinnert ihr heutiger Name an das Ende der Militärdiktatur durch die „Nelkenrevolution“ am 25. April 1974. Übrigens ist sie mit ihren 2277 Metern nur knapp 500 Meter kürzer als ihre 29 Jahre ältere kalifornische Schwester.
28 Meter hoch, auf 75 Meter hohem Sockel: Der Cristo Rei von Lissabon. | Foto: Markus Nolte
Auf der anderen Seite der Brücke in Lissabon allerdings steht ein weiteres Bauwerk, das meinen lassen könnte, ganz woanders zu sein – nämlich in Rio de Janeiro. Dort wie hier ragt eine gewaltige Christus-Statue empor, die im Fall von Portugal 28 Meter hoch ist, auf einem 75 Meter hohen Sockel steht – und 113 Meter über dem Tejo errichtet ist. Tatsächlich war der Christus in Brasilien das Vorbild; die Statue in Rio de Janeiro ist zwar zwei Meter höher, steht aber auf einem lediglich acht Meter hohen Sockel.
In Portugal breitet der Christus seine Arme in Richtung der Hauptstadt aus – vom jenseiten Ufer des Tejo in Almada aus. In Aufzügen geht es im Sockel hinauf bis zu den Füßen des Christuskönigs. Der Ort gilt mit dem 130 Kilometer nördlich gelegenen Marienpilgerort Fatima als der zweite bedeutende Wallfahrtsort Portugals. Bevor es hinausgeht zur Aussichtsplattform, empfangen innen entsprechend eine Kapelle, Devotionalienläden und geistliche Musik in Dauerschleife. Die meisten Besucher allerdings sind zweifellos Touristen, die den grandiosen Ausblick über den Fluss auf Lissabon genießen. Fotosessions inklusive. Der Rückweg zur Hauptstadt lässt sich gleich unterhalb der Statue auch mit dem Schiff machen und kostet nicht viel. Ein herrliches Erlebnis!
LX Factory
Früher Fabrikgelände, heute Spot der Kreativen: LX Factory unter der Brücke des 25. April in Lissabon. | Foto: Markus Nolte
Am Fuß der Brücke auf der Stadt-Seite liegt einer der kreativsten und spannendsten Orte des modernen Lissabon: LX Factory! Was früher ein Fabrikgelände war, ist heute ein unglaublich kreatives Sammelsurium an stylischen Läden für Klamotten, Bücher, Designartikel – und natürlich Bars und Restaurants. Ab dem frühen Abend bis in die späte Nacht lohnt es, in Ruhe durch die Gassen zu schlendern und hoch zur alles überragenden Brücke und in den Abendhimmel zu schauen.
MAAT
MAAT am Tejo: Museum für Kunst, Architektur und Technologie (Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia). | Foto: Markus Nolte
Auf der anderen Seite der Brücke des 25. April auf der Lissaboner Seite, geht es kreativ weiter. Dort schmiegt sich das Museum für Kunst, Architektur und Technologie „MAAT“ (Museu de Arte, Arquitetura e Tecnologia) flach ans Ufer des Tejo und ist selber schon ein architektonischer Hingucker. Errichtet von der britischen Architektin Amanda Levete und 2016 eröffnet, soll der wellenförmige Bau an die Seefahrt erinnern und ermöglicht über das begehbare Dach eindrucksvolle Stadtansichten. Unterhalb zum Fluss hin wird durch Lautsprecher Meeresrauschen eingespielt. Innen überraschen immer wieder zeitgenössische Kunstausstellungen. Mitunter genügt der Gang aufs Dach und das Staunen über die faszinierende Architektur, in der sich auf wunderbare Weise das Licht bricht.
Spaziergang am Tejo zum Eroberer-Denkmal
Entspannt schlendern und lecker essen und trinken an der Promenade des Tejo. | Foto: Markus Nolte
Vom MAAT aus lässt es sich herrlich weiter schlendern, immer weiter Richtung Westen am Tejo entlang zum Stadtviertel Belém. Hier und da bieten sich kleine Bars oder Restaurants zu durchaus bezahlbaren Genießerpausen an, am besten am späten Nachmittag, wenn die Sonne allmählich sanfter und goldener und die Lissabonner Menschen noch eine Spur gelassener werden.
Denkmal der Entdeckungen am Tejo. | Foto: Markus Nolte
Nach einem guten Kilometer Fußweg erhebt sich das 56 Meter hohe, hell leuchtende Denkmal der Entdeckungen (Pãdrao dos Descrobimentos), das 33 wichtige Persönlichkeiten des Spätmittelalters in Portugal zeigt, allen voran Heinrich den Seefahrer (1394-1460). Innen lässt es sich besteigen, von oben hat man auch hier einen wunderbaren Blick auf Lissabon – und das nächste Highlight.
Hieronymus-Kloster
Das gewaltige Hieronymus-Kloster aus dem 16. Jahrhundert im Stadtteil Belém. | Foto: Markus Nolte
Das Hieronymus-Kloster aus dem 16. Jahrhundert ist zweifellos die geistliche wie auch touristische Attraktion von Lissabon. Die gewaltige Anlage des Ordens der Hieronymiten im südwestlichen Lissaboner Stadtteil Belém, nahe an Tejo und dem Denkmal der Entdeckungen, ist vor allem wegen ihrer spätgotischen Kirche und des angrenzenden Kreuzgangs Kultur von Weltrang.
Der dunkle, weite Kirchraum fasziniert trotz seiner Größe durch seine erstaunliche Leichtigkeit, was dem beinahe filigran aufstrebenden Säulenwald geschuldet ist. Gleich zu Beginn auf der linken Seite befindet sich das Grab des Entdeckers Vasco da Gama. Tickets muss man kaufen, dann kommt man allerdings auch in den großartigen Doppelstock-Kreuzgang, der mit seinen vielen Figuren und Ornamenten schlichtweg überwältigt. Ein Muss!
Oceaneum
Schwimmendes Museum: das Oceaneum von Lissabon. | Foto: Markus Nolte
Der Sprung von diesem kulturellen Höhepunkt im äußersten Westen Lissabons könnte extremer kaum sein: In genau entgegengesetzter Richtung, acht Kilometer von der zentralen Praça do Comércio Richtung Osten entfernt, liegt – oder besser: schwimmt das Oceaneum, Europas größtes Indoor-Meeres-Aquarium. Und der Weg dorthin lohnt! Auf dem Gelände der EXPO 98, direkt am Tejo, entführt es nicht nur in die modernste Seite Lissabons, sondern vor allem in faszinierende Unterwasserwelten.
In mehreren riesigen Bassins schwimmen Haie, Rochen und andere Fische, in kleinen Bassins lassen sich leuchtende Quallen und winzige Seepferdchen bestaunen, in Außenpools Pinguine & Co. So tief und begeisternd abzutauchen in die geheimnisvolle Welt der Ozeane, bleibt ein unvergessliches Erlebnis – allemal in Lissabon, der Stadt, vor der sich Europa zum Atlantik öffnet.