Münsteraner Professor: „Es war schon immer so“ genügt nicht

Theologe Seewald will „Argumente statt Autorität“ in der Kirche

Der katholische Theologieprofessor und Dogmatiker Michael Seewald aus Münster fordert eine veränderte Debattenkultur in der katholischen Kirche. Er wünsche sich „Argumente statt Autorität“.

Anzeige

Der katholische Theologieprofessor und Dogmatiker Michael Seewald aus Münster fordert eine veränderte Debattenkultur in der katholischen Kirche. In den aktuellen Reformdiskussionen wünsche er sich „Argumente statt Autorität“, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Das klingt trivial, wäre aber – gemessen an dem Niveau, auf dem die katholische Kirche gerade diskutiert - ein gigantischer Fortschritt.“

Die Kirche erscheine ihm derzeit oft wie gelähmt. Viel zu häufig, so Seewald, reklamiere sie in strittigen Fragen eine Unfehlbarkeit, die nicht mit Argumenten zu begründen sei, und behaupte, etwas sei „schon immer so“ gewesen und nicht verhandelbar. Dann müsse man „doppelt skeptisch“ sein, denn „erstens sind solche Behauptungen oft einfach falsch und zweitens muss man selbst dort, wo sie stimmen, die Frage stellen, warum aus dem Argument ,Es war schon immer so' folgen sollte, dass etwas auch künftig so bleiben muss“.

 

Seewald: Lehre hat sich stets geändert

 

Bei näherem Hinsehen habe sich die Lehre der Kirche im Laufe der Zeit deutlich geändert und sich selbst auch korrigiert, betonte der Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Uni Münster. Als Beispiele nannte er Änderungen bei der Priesterweihe durch Papst Pius XII., die stillschweigende Abkehr von der Lehre, alle Menschen stammten biologisch von Adam und Eva ab und die Kehrtwende zur Religions- und Gewissensfreiheit durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65): „Heute tun einige Theologen so, als habe die Kirche die Menschenrechte quasi erfunden und sei schon immer für Gewissensfreiheit eingetreten.“

 

Wo sich die Kirche ein Eigentor schießt

 

Die Kirche leide oft unter einem verengten und lähmenden Selbstverständnis, so Seewald: „Jede Veränderung, die in den vergangenen Jahren diskutiert wurde, seien es nun Fragen des Kommunionempfangs, sei es die Ächtung der Todesstrafe durch Papst Franziskus oder seien es die Debatten um Geschlechterrollen in der Kirche – immer ist es interessierten Gruppen gelungen, kleine Veränderungen als großen Bruch aufzubauschen.“

Viel zu häufig versuche man, „der Theologie Denk- und Sprechverbote zu erteilen. Damit schießt man sich nur ein Eigentor.“ In seinem neuen Buch „Reform - Dieselbe Kirche anders denken“ geht Deutschlands jüngster Theologieprofessor (31) nicht konkret auf aktuelle Debatten um Frauen und Kirche, Zölibat oder Sexualmoral ein, sondern auf grundlegende Fragen nach Veränderungen der Lehre.

Anzeige