Mehrere Pfarrer kritisieren Missbrauchsaufklärung / Rücktrittsforderung an Kardinal Woelki

Unmut unter Geistlichen im Erzbistum Köln nimmt offenbar zu

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Die Aufarbeitung früherer Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln stößt auf viel Kritik. Inzwischen melden sich auch mehrere Pfarrer öffentlich zu Wort - bis hin zur ersten Aufforderung zum Rücktritt von Kardinal Rainer Maria Woelki.

In der Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln äußern auch immer mehr Geistliche öffentlich Kritik. Am Mittwoch forderte erstmals ein Pfarrer den Rücktritt von Erzbischof Rainer Maria Woelki. „Es haben schon eine Menge Leute gefordert, dass Woelki zurücktritt. Ich schließe mich dem an“, sagte der Pfarrer des Seelsorgebereichs Dormagen-Nord, Klaus Koltermann, der „Neuß-Grevenbroicher Zeitung“. In einer Stellungnahme, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, bescheinigt er dem Kardinal „eine Ignoranz den Mitchristen gegenüber, die symptomatisch für seinen Leitungsstil im Bistum steht“.

Koltermann bezieht sich mit seiner Kritik auch auf eine Äußerung Woelkis während der Christmette im Kölner Dom. Der Kardinal hatte sich an die Gläubigen gewandt und um Verzeihung dafür gebeten, „was die von sexueller Gewalt Betroffenen und Sie in den letzten Tagen und Wochen vor Weihnachten im Zusammenhang mit dem Umgang des Gutachtens zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in unserem Erzbistum, was sie an der Kritik darüber und insbesondere auch an der Kritik an meiner Person ertragen mussten“.

Um Verzeihung zu bitten sei zwar ein notwendiger und überfälliger Schritt, so Koltermann. In den Worten des Kardinals könne er jedoch weder Gewissenserforschung noch Reue oder Willen zur Umkehr erkennen: „Damit wurde nun noch restlich vorhandene Glaubwürdigkeit verspielt.“

 

Sozialpfarrer Meurer: Es steht Spitz auf Knopf

 

Zuvor hatte sich neben anderen der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer zu Woelkis Rolle bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geäußert. Der Kardinal habe sich im Umgang mit dem angekündigten Gutachten in eine Sackgasse manövriert; daraus komme man nur heraus, wenn man sich „rumdreht und in die Gegenrichtung geht“, sagte Meurer im Deutschlandfunk. Auf die Frage, ob der Erzbischof zurücktreten müsse, entgegnete er: „Es steht Spitz auf Knopf.“

Woelki hatte Ende Oktober entschieden, ein Gutachten zum Umgang der früheren Bistumsleitung mit Missbrauchsfällen nicht wie vorgesehen zu veröffentlichen. Das Papier habe „methodische Mängel“, hieß es. Das Erzbistum hat daher ein neues Gutachten in Auftrag gegeben, das bis zum 18. März vorliegen soll.

 

Der Hintergrund

 

Zudem wird Woelki selbst vorgeworfen, an Vertuschung beteiligt gewesen zu sein. Er soll einen Missbrauchsfall, von dem er 2015 erfuhr, pflichtwidrig nicht an den Vatikan gemeldet haben. Der Kardinal hat den Papst gebeten, diese Vorwürfe gegen ihn zu prüfen, und dabei betont: „Es bleibt dabei: Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt müssen offengelegt werden, unabhängig davon, gegen wen sie erhoben wurden. Dies bezieht auch mich ein.“ Auf diese Aussage verwies das Erzbistum am Mittwoch nach einer Anfrage der KNA zu der Rücktrittsforderung.

Konkret geht es um den mittlerweile verstorbenen Priester O. aus der Gemeinde Sankt Margareta in Düsseldorf, bei dem Woelki in den 1980er Jahren ein Pfarrpraktikum absolvierte. 2010 zeigte ein Betroffener den Pfarrer an. Er warf ihm vor, ihn als Kindergartenkind Ende der 1970er Jahre missbraucht zu haben. 2011 erhielt der Betroffene in Anerkennung des Leids 15.000 Euro, das Dreifache des damaligen Regelsatzes.

 

Pfarrei kritisiert Kardinal

 

Woelki wird zur Last gelegt, dass er den Fall 2015 kurz nach seinem Amtsantritt in Köln zwar zur Kenntnis genommen, aber eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen habe. Der Erzbischof begründete dieses Vorgehen unter anderem mit der damals schon weit fortgeschrittenen Demenz des Pfarrers.

Die Düsseldorfer Pfarrei selbst meldete sich in einer gemeinsamen Erklärung von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat zu Wort. Woelki werde seiner Verantwortung als oberster Seelsorger einer großen und einflussreichen Diözese nicht gerecht, heißt es darin.

 

Pfarrer Schirpenbach: Vertrauen erschüttert

 

Ende November hatte auch ein offener Brief des Grevenbroicher Pfarrers Meik Schirpenbach für Aufsehen gesorgt. Unter dem Titel „Sorgen eines Landpfarrers im Rheinland“ bemängelte er: „Was inzwischen hier draußen ankommt ist, dass sich hohe Amtsträger hinter den Kulissen streiten, wer denn nun Verantwortung übernehmen soll.“

Was sich derzeit in Teilen der Kirchenleitung abspiele, könne er den Menschen, die ihn fragen, nicht mehr erklären. Das Vertrauen sei „auch bei den treuesten Kirchgängern zutiefst erschüttert“.

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