Benediktiner-Abt Nikodemus Schnabel sollte sein Brustkreuz abdecken

Vorfall nahe Klagemauer: Darf man in Jerusalem noch Kreuze tragen?

  • Darf ein Abt beim Überqueren des Platzes vor der jüdischen Klagemauer in Jerusalem sichtbar ein Brustkreuz tragen?
  • Der Benediktiner Nikodemus Schnabel war aufgefordert worden, das Kreuz zu verdecken.
  • Das aber sei auf einem öffentlichen Vorplatz geschehen, nicht an der Klagemauer selbst.

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In der sensiblen Jerusalemer Religionslandschaft sorgt ein Video für Aufregung, das ein "Spiegel"-Journalist auf Twitter teilte: Nikodemus Schnabel, Abt der deutschsprachigen Benediktiner auf dem Zionsberg, wird von einer Mitarbeiterin der für die Klagemauer zuständigen "Western Wall Heritage Foundation" aufgefordert, sein Brustkreuz zu verdecken. Es sei "wirklich groß und unangemessen für diesen Ort", sagt sie und beruft sich auf neue Regelungen für die jüdische Stätte. Berichtigter Hinweis oder Beleg für zunehmende antichristliche Tendenzen in der Stadt?

Die Sache sei banaler und damit skandalöser, als sie bei einigen angekommen sei, sagt Schnabel. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert er das Geschehene aus seiner Sicht.

"In etlicher Entfernung und nicht provokativ"

Er habe Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am frühen Morgen durch die Altstadt geführt. Die letzten Meter - gegen 9 Uhr sollte die Tour enden - sei die Gruppe "in keiner Weise provokativ" und in etlicher Entfernung zur Klagemauer über den Vorplatz gegangen. Dort sei es zu besagter Aufforderung gekommen.

"Der Platz vor der Klagemauer ist ein öffentlicher Platz und kein Sakralraum, was sich auch daran ablesen lässt, dass Männer dort keine Kippa tragen müssen. Das ist so, als würde jemand auf der Kölner Domplatte Passanten wegen ungebührlicher Kleidung ermahnen", erläutert Schnabel. Er glaube an Werte wie Respekt und Koexistenz, betont der Benediktiner. Diese Werte sieht er durch sein Verhalten nicht beeinträchtigt.

Klagemauer-Verwaltung reagiert

Ein Besuch an der Klagemauer oder ein Gebet an dieser Stelle, "was ich als Abt sowieso nicht machen würde", seien nicht geplant gewesen. Empört fragt Schnabel: "Darf ich nicht einmal mehr in meinem Abtgewand durch den öffentlichen Raum gehen?" Die Ministerin als Augenzeugin bezeichnete den Zwischenfall auf KNA-Anfrage als "befremdlich", verwies aber auf eine Entschuldigung der "Western Wall Heritage Foundation".

Diese erklärt: "Wir entschuldigen uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten. Die Klagemauer ist für alle offen." Die "höfliche" Anfrage der Platzanweiserin sei "aus Respekt vor dem Besucher und der Stätte" erfolgt. Die Entscheidung des Abtes, sein Kreuz nicht abzudecken, sei respektiert worden. Vorschriften für Kreuze auf dem Areal der Klagemauer gebe es nicht, erklärt das Büro des Klagemauerrabbiners Schmuel Rabinowitsch gegnüber der KNA.

Zuständiger Rabbiner hatte früher Besucher "auflaufen lassen"

In der Vergangenheit äußerte sich Rabinowitsch jedoch eindeutig: Nicht nur Päpste, Bischöfe oder Äbte sollten ihre Kreuze von der westlichen Umfassungsmauer des zweiten jüdischen Tempels fernhalten, sondern auch sichtbare Kreuzanhänger gewöhnlicher Pilger seien unerwünscht. 2009 regte er an, Papst Benedikt XVI. möge bei seinem Besuch ohne Brustkreuz an die Stelle herantreten. Darauf warf der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, dem Rabbiner vor, sein religiöses Amt für Intoleranz zu missbrauchen.

Schon 2007 habe Rabinowitsch die Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz an der Klagemauer auflaufen lassen, erinnert sich Markus Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem und damals für die Organisation des Besuchs verantwortlich. Dass die Bischöfe mit Brustkreuzen erschienen seien, habe weder mit Ignoranz noch dem Willen zur Provokation zu tun gehabt.

Österreichs Bischöfe blieben beim Kreuz

"Nach dem geplanten Besuch an der Klagemauer und einem Treffen mit Rabinowitsch fuhren die Bischöfe weiter zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, wo sie Verantwortungsbewusstsein als kirchliche Repräsentanten zeigen wollten - in Bischofskleidung mit Brustkreuz", so Bugnyar. Das habe man der Verwaltung der Klagemauer sehr klar kommuniziert. Auf dem Gelände der Klagemauer angekommen, sei es weder zu dem Treffen noch einem Besuch an der Stätte selbst gekommen - weil die Bischöfe der Forderung nicht nachgekommen seien, ihre Kreuze abzunehmen.

Schnabel äußert nun viel Verständnis für die Sensibilität des Ortes. Auch wenn er als Gastgeber in der Dormitio-Abtei jeden herzlich willkommen heiße, "ob mit Kippa, Kopftuch oder barfuß", hinterfrage er sich als Gast an fremden heiligen Orten besonders gründlich.

Abt Schnabel sieht Einfluss der Regierung

Über vieles lasse sich reden. Im öffentlichen Raum für seine christliche Arbeitskleidung angefeindet zu werden, sei jedoch "indiskutabel". Das jüdische Viertel dürfe nicht zu einer No-Go-Area für Christen werden.

Leider gebe die gegenwärtige israelische Regierung derartigen Richtungen Rückendeckung, beklagt der Ordensmann, der als kritischer Beobachter und Betroffener zunehmender radikal-jüdischer, antichristlicher Tendenzen bekannt ist. Es sei eine Tendenz spürbar, die Grenze zwischen weltlich und sakral zu verwischen. Und einige Extremisten seien der Ansicht, dass "ganz Jerusalem heilig ist und es in der Stadt keinen Platz für Kirchen gibt".

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