Leiter des Dormitio-Klosters zur Lage im Land – und zu Weihnachten

Jerusalemer Abt Schnabel: Begreife Ausmaß des Kriegs immer noch nicht

Anzeige

Das Heilige Land wird Weihnachten wohl im Krieg feiern. Nikodemus Schnabel ist Abt der deutschsprachigen Benediktinerabtei Dormitio auf dem Berg Zion in Jerusalem. Er beschreibt, was der Krieg für sein Kloster und für die Menschen in Bethlehem bedeutet – und warum er die Weihnachtsaktion der Dormitio in diesem Jahr besonders wichtig findet.

Abt Nikodemus, die Dormitio-Abtei in Jerusalem bietet an, in der Heiligen Nacht die Namen vieler tausend Menschen nach Bethlehem zu tragen. Was hat es mit der Aktion auf sich, wie läuft sie ab?

Unsere Weihnachtsaktion besteht eigentlich aus zwei parallelen Aktionen, der Namensaktion und der Spendenaktion. Es ist übrigens vollkommen in Ordnung, nur an einer der beiden Aktionen teilzunehmen! In der Namensaktion sammeln wir Namen von Menschen auf einer großen Rolle, die wir dann unter Gebet nach unserer Christmette die zehn Kilometer zu Fuß nach Bethlehem tragen, um sie dort in den frühen Morgenstunden des 25. Dezember auf den Geburtsstern niederzulegen und dort die Laudes, unser Morgengebet, zu feiern, und zwar im fürbittenden Gebet für die Anliegen dieser Menschen. In der Spendenaktion sammeln wir Geld für unsere Jugend- und Behindertenbegegnungsstätte Beit Noah in Tabgha und für unsere Projektpartner in Bethlehem, die sich mit Herzblut dieser Menschen über das Jahr hinweg annehmen, da die Gruppen bei uns ja immer nur einige wenige Wochen sind.

Warum ist die Aktion in diesem Jahr besonders wichtig?

Die Menschen in Bethlehem sind seit dem 7. Oktober erst völlig, nun immer noch massiv von der Außenwelt abgeschnitten: Sie brauchen unsere Solidarität mehr denn je, gerade an „ihrem“ Fest, an Weihnachten! Die Namensrolle wird dieses Jahr auch die Namen vieler Opfer dieses Krieges enthalten. Ich persönlich begreife immer noch nicht wirklich das unfassbare Ausmaß dessen, was am 7. Oktober geschehen ist, und dessen, was gerade in Gaza geschieht. Ich kann aber die Namen der Menschen beider Seiten in die Krippe des neugeborenen Friedensfürsten legen und sie ihm anvertrauen.

Wie ist die Dormitio von der kriegerischen Lage in der Region betroffen?

Uns trifft es wirtschaftlich sehr hart. Wir sind an beiden Orten finanziell stark vom Pilgertourismus abhängig. Wir halten unsere beiden Kirchen dennoch weiterhin offen, auch etwa unsere Cafeteria in Jerusalem. Wir sagen Ja zu unseren Mitarbeitern, für die ich auch eine große soziale Verantwortung empfinde. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Ausgaben bleiben, die Einnahmen sind uns jedoch weggebrochen.

Wie schätzen Sie die Lage im Land ein? Was haben die zwischenzeitliche Waffenruhe und erste Freilassungen israelischer Geiseln der Hamas-Terroristen verändert?

Es waren Tage der Freude und der Hoffnung, der Hoffnung auf Frieden. Nun ist wieder Krieg. Ich hoffe sehr, dass die Waffen bald für immer schweigen werden und alle Geiseln freikommen.

Sie betreiben die Begegnungsstätte Beit Noah am See Genezareth, wo israelische und palästinensische Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zusammenkommen. Funktioniert das auch in der aktuellen Lage?

Leider nur eingeschränkt, aber Beit Noah bleibt Beit Noah! In den ersten fünf Kriegswochen haben eine große Gruppe jüdischer Behinderter und ihre Betreuer aus dem Süden Israels bei uns Zuflucht gefunden, da sie nicht schnell genug vor Raketen in die Bunker hätten fliehen können. Letzte Woche war eine Gruppe christlicher Jugendlicher aus dem Norden Israels bei uns, die Abstand vom Kriegsgeschehen an der libanesisch-israelischen Grenze nehmen konnten. Beit Noah ist eine schützende Arche, gerade auch jetzt in diesen Tagen!

Hier geht es zur Weihnachtsaktion der Dormitio-Abtei.

Anzeige