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Die vor 20 Jahren selig gesprochene Schwester Euthymia gilt vor allem als fromme und duldsame Frau. Wer sie aber auf „Ja und Amen“ reduziert, unterschätzt ihr Beispiel, meint unsere Chefredakteurin Annette Saal.
Am kommenden Sonntag wird in allen Gottesdiensten im Bistum Münster der vor 20 Jahren selig gesprochenen Clemensschwester Euthymia gedacht. Sie steht auch im Mittelpunkt eines Pontifikalamts mit Bischof Felix Genn um 10 Uhr im Dom in Münster, das live im Internet bei „Kirche-und-Leben.de“ übertragen wird.
Für viele ist die Ordensfrau, die 1955 mit 41 Jahren starb, ein Vorbild in puncto Frömmigkeit und Nächstenliebe. Die Verehrung wirkt bis in die heutige Zeit hinein: An Schwester Euthymias Grab auf dem Zentralfriedhof brennen ständig Kerzen.
Kritiklose Unterordnung?
Manche Zeitgenossinnen und Zeitgenossen haben dagegen für die Haltung von Schwester Euthymia nur ein Kopfschütteln übrig. Da ist von kritikloser Unterordnung zu hören, die nicht mehr in unsere Zeit passe, geschweige denn als Vorbild zu werten sei.
Der Hintergrund: Nach aufopfernder Pflege von ansteckend kranken Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern im Dinslakener Vinzenzkrankenhaus wurde Schwester Euthymia in die Wäscherei versetzt. Trotz ihres spürbaren Entsetzens nahm sie die Entscheidung an – obwohl sie die Krankenpflege immer als ihre Lebens-Berufung sah.
Duldsam, aber stark
„Es ist ja alles für den großen Gott“, sind überlieferte Worte der Ordensfrau. Ihr für ihre Duldsamkeit das Selbstbewusstsein abzusprechen, wäre jedoch die falsche Interpretation. Denn sie bezog ihre Stärke aus einer lebendigen Gottesbeziehung, die sie alle Willkür ertragen ließ.
Zugegeben: Das ist nicht leicht zu verstehen und nicht auf jede Situation übertragbar. Manche Ungerechtigkeit erfordert es geradezu, den Mund aufzumachen. Doch Schwester Euthymia auf „Ja und Amen“ zu reduzieren, wird ihr nicht gerecht.
Wo sie heute Vorbild sein kann
In verschiedener Hinsicht ist sie auch in unserer Zeit durchaus ein überzeugendes Vorbild. Wenn wir uns doch ein wenig davon zu eigen machten, ohne Vorbehalt auf Menschen zuzugehen, die scheinbar nicht in diese Gesellschaft passen! Wenn wir mehr zuhören würden statt sofort mit einer Gegenrede herauszuplatzen! Wenn wir alles stehen und liegen ließen, um zu trösten und zu helfen! Die einfache Ordensfrau hat auf ihr Herz gehört. Ins Heute übersetzt: Nicht wegschauen. Nicht kleinreden. Machen!
Das Pontifikalamt zum Gedenken an Schwester Euthymia mit Bischof Felix Genn am 10. Oktober um 10 Uhr im Dom in Münster wird live im Internet bei „Kirche-und-Leben.de“ übertragen.