Anne-Marie Eising aus Laer: Warum Sünde keine Privatsache ist

Auslegung der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (A)

Knatsch gibt es auch zwischen Christen, und offenkundig wurde auch Jesus damit konfrontiert. Wie soll man reagieren, "wenn dein Bruder gegen dich sündigt"? Anne-Marie Eising, Pastoralreferentin in Laer, sagt in ihrer Schriftauslegung, was das für uns heute bedeutet.

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Knatsch gibt es auch zwischen Christen, und offenkundig wurde auch Jesus damit konfrontiert. Wie soll man reagieren, "wenn dein Bruder gegen dich sündigt"? Anne-Marie Eising, Pastoralreferentin in Laer, sagt in ihrer Schriftauslegung, was das für uns heute bedeutet.

Meine Eltern hatten eine kleine Bäckerei. Und ich hatte viel zu oft gesündigt. Doch mein Vater meinte: „Naschen ist keine Sünde.“ Das hätte ihm sein Dorfpfarrer gesagt, als er das als Kind beichten wollte. Der Dorfpfarrer gefällt mir. Nicht, weil ich zu gerne Schokolade esse und Kuchen. Er hat meinen Vater vor falschen Skrupeln bewahrt und die Sünde ernst genommen.

Das Wort Sünde ist eng verwandt mit dem Wort (ab)sondern und beschreibt die Folgen von herzlosem Verhalten: Die Absonderung von Gott, von den Mitmenschen und auch von mir selbst. Der Psalm 95 mahnt daher: „Hört auf die Stimme des Herrn. Verhärtet nicht euer Herz.“

 

Ein Garant für Frieden

 

Die Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Das Volk Israel geriet immer wieder in die Versuchung, sein Herz Gott gegenüber zu verhärten. Zum Beispiel in der Zeit des babylonischen Exils. Das Land belagert, Jerusalem und der Tempel zerstört, droht die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu sterben. Fern der Heimat laufen sie Gefahr, die Religion der Babylonier anzunehmen. Damit würden sie sich von ihrem Gott absondern, der sie doch aus der Sklaverei in Ägypten befreit hatte. Mit den Zehn Geboten schloss er mit ihnen den Bund fürs Leben: ein Garant für Frieden in Freiheit.

Jetzt in Babylon geht es um Leben und Tod: Bewahren sie ihre religiöse Identität, dann überlebt die Hoffnung auf ein Leben in der Heimat. Wenn sie sich von ihrem Gott absondern, stirbt die Hoffnung auf Frieden und Freiheit. Der Prophet Ezechiel soll sie davor warnen. Er ist die Stimme Gottes und trägt Mitverantwortung dafür, dass sie ihr Herz nicht verhärten und sich nicht von Gott absondern – sündigen.

 

Lieblosigkeit sondert ab

 

Wenn jemand sein Herz für Gott öffnet und Jesus Christus nacheifert, wird sich dies in seinem Verhalten zeigen. Der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde in Rom, dass „die Liebe die Erfüllung des Gesetzes“ – also der Zehn Gebote – ist. Christen bleiben einander immer Liebe schuldig. Damit wird man nie fertig.

Lieblosigkeit sondert den Menschen von den Mitmenschen ab. Sie trennt ihn aber auch von seiner Identität als Abbild Gottes. Weil Gott die Liebe ist, pervertiert jede Lieblosigkeit die Berufung des Menschen, von der Art Gottes zu sein. Leider lasse ich es jedoch immer wieder an Liebe fehlen oder leide unter der Lieblosigkeit anderer.

 

Hätte Jesus exkommuniziert?

 

Die Autorin
Pastoralreferentin Anne-Marie Eising
Anne-Marie Eising ist Pastoralreferentin in der Pfarrgemeinde Heilige Brüder Ewaldi in Laer. | Foto: privat

Sünde ist nicht nur Privatangelegenheit. Sie hat Auswirkungen auf die Gemeinschaft – erst recht auf eine christliche. Es geht um ihre Identität in der Nachfolge Jesu Christi. Darum kann sie Lieblosigkeit in den eigenen Reihen nicht tolerieren. „Wenn dein Bruder sündigt, geh hin…“ heißt es im Evangelium. Wenn der Sünder auch nicht auf die Stimme der Gemeinschaft hört, bleibt am Ende nur der Ausschluss.

Die Gemeinde trägt allerdings auch Verantwortung für den Sünder. Wenn zwei oder drei zusammenkommen, um über den Umgang mit ihm zu beraten, dann muss ihnen bewusst sein, dass Jesus mit am Tisch sitzt. Kaum vorstellbar, dass sie in seinem Namen um die endgültige Exkommunikation bitten, wenn selbst Jesus die Ehebrecherin nicht verurteilte, Zöllner in seine Nachfolge berief und sogar Judas ein Stück Brot gab. Die Gemeinschaft soll jedem Einzelnen hinterherlaufen – wie der Hirte dem einen verlorenen Schaf. Denn sie muss ihre Entscheidung vor Gott verantworten. Ziel ist, dass der Sünder seine Schuld einsieht und bereut.

 

Ein Neuanfang ist möglich

 

Wenn in der jungen Kirche ein Ausschluss nötig war, dann immer mit dem Ziel, den Sünder – nach einer Zeit der Buße – wieder feierlich in die Kommuniongemeinschaft aufzunehmen. Klar ist: In diesem Vorläufer der heutigen Beichte ging es nicht um Lappalien wie Naschen. Den Ausschluss rechtfertigte zum Beispiel die Hinwendung zu unchristlichen religiösen Kulten, die in der damaligen Gesellschaft parallel zum jungen Christentum existierten.

Mit der Zeit hat sich die Form der Beichte verändert. Geblieben ist die Zusage, dass die Absonderung überwunden ist. Das Wort, das mir guttut, kann ich mir nicht selber sagen: „Gott der barmherzige Vater hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vaters…“ Gott kommt mir entgegen. Neuanfang ist möglich. Mein Part ist: ihm mein Herz öffnen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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