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Wenn in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Martinistift bei Nottuln Weihnachten ansteht, ist besondere Sensibilität gefragt. Denn Erinnerungen und Sehnsüchte können getriggert werden.
Hier wird es unruhig, wenn es anderswo beschaulich wird. Das hat seine Geschichten. Wenn in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Martinistift bei Nottuln (Kreis Coesfeld) die Weihnachtszeit ansteht, bringen diese Tage enorme Emotionen in die Wohngruppen. Denn die 10- bis 21-jährigen Bewohner leben hier, weil sie nicht mehr an jenem Ort sein können, wo Heranwachsende normalerweise Vertrauen und Fürsorge finden. Ihre Familien als sichere Zufluchtsorte gibt es für sie nicht mehr. Viele von ihnen sind durch Gewalt und Vernachlässigung traumatisiert.
Und dann kommt Weihnachten. Jenes Fest, das ohnehin mit großen Gefühlen einhergeht. „Unsere Bewohner sind dann tagelang hibbelig“, sagt Michael Thurner. „Selbst wenn sie daheim nie ein harmonisches Fest erleben konnten, ist es auch für sie mit großen Erwartungen verbunden.“ Der Sozialpädagoge erlebt die Jungen seiner Wohngruppe dann oft aufgewühlt. „Was für sie Weihnachten bedeutet, können wir uns kaum vorstellen.“
So gut kann sich Weihnachten anfühlen
Weihnachten zu ignorieren, wäre deshalb fatal, sagt Ben David Escher, Gruppenleiter in der Einrichtung der Alexianer. Im Gegenteil: „Wir feiern es hier ganz traditionell, mit vielen Ritualen.“ Gottesdienste, gemeinsames Baum-Schmücken, Kekse backen, Weihnachtsfilme schauen – in der großen Gemeinschaft wie in den Wohngruppen. Am Heiligabend ruft das Glöckchen zur Bescherung, es gibt ein Festessen. „Viele erleben hier zum ersten Mal, wie gut sich Weihnachten anfühlen kann.“
Es ist keine aufgesetzte Feier, nichts Vorgespieltes. Sie ist Teil eines Grundauftrags, wie ihn Bereichsleiterin Dorothea Greiff formuliert: „Die Jugendlichen sind unsere Schutzbefohlenen, sie sollen hier ein sicheres Zuhause finden.“ Und zu einem vertrauten Zuhause gehört eben auch das Weihnachtsfest. „Die Betreuer feiern es in den Gruppen so, wie sie es daheim selbst erleben – wie es ihnen selbst guttut.“ Das macht diese gemeinsame Zeit authentisch.
Rückzug muss möglich sein