Scharfe Kritik an orthodoxer Unterstützung für Russlands Krieg

Weltfriedenstreffen in Berlin: Hoffen auf religiöse Versöhnungskräfte

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Das interreligiöse Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant'Egidio in Berlin ist eröffnet worden. Redner appellierten an die versöhnende Kraft der Religionen - und verurteilten den Kriegskurs der russischen orthodoxen Kirche scharf.

Mit Appellen an die friedensstiftende Aufgabe der Religionen hat in Berlin eine internationale Konferenz der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio begonnen. Als "Kraft der Versöhnung" könnten sie einen unverzichtbaren Dienst für die Menschheit leisten, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Vor ranghohen Vertretern von Christen, Juden, Muslimen und weiteren Weltreligionen verurteilte er die Unterstützung des Angriffskriegs auf die Ukraine durch die russisch-orthodoxe Kirche. "Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein", betonte das deutsche Staatsoberhaupt.

Legitimierung von Krieg "nicht hinnehmbar"

Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete es als "nicht hinnehmbar", dass eine christliche Kirche den Krieg gegen ein Nachbarland legitimiere. Dies sei ein Beispiel dafür, dass alle Religionen zu unterschiedlichen Zeiten den Dämonen der Friedlosigkeit und Gewalt nachgegeben hätten. "Selbstkritik der Religionen ist also unabdingbar, damit die Religionen glaubwürdige Akteure des Friedens sind", so Bätzing.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Annette Kurschus, warb für "eine starke Ukraine, die sich und ihre Freiheit verteidigen kann". Zugleich brauche es Verhandlungen, um "die Waffen zum Schweigen zu bringen".

"Respekt für heilige Symbole"

Wie Steinmeier würdigte der Präsident von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embalo, das weltweite Engagement von Sant'Egidio in Kriegen und Konflikten, das unter anderem 1992 zum Frieden in Mosambik geführt hatte. Embalo rief die Führungspersönlichkeiten der Religionen auf, die Staaten beim Einsatz für ein lebenswertere Welt zu unterstützen.

Der Großimam der ägyptischen Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayyeb, betonte, die Welt sei "mehr denn je auf die Stimmen der Religionen angewiesen". Er forderte gleichen Respekt für deren heilige Symbole und kritisierte Koran-Verbrennungen in westlichen Ländern wie auch den Abriss von Kirchen in Pakistan.

Zudem verurteilte der Großimam die Verletzung der Menschenrechte von Frauen in Afghanistan. Über diese berichtete bei der Auftaktveranstaltung die Studentin Zohra Arabi aus eigenem Erleben.

Treffen dauert bis Dienstag

In Vertretung des Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, warb Zsolt Balla für einen weit gefassten Friedensbegriff. Das hebräische Wort Schalom bedeute eine harmonische Einheit der Beteiligten und sei mehr als eine Abwesenheit von Konflikten, erklärte der Leipziger Rabbiner. Sant'Egidio-Gründer Andrea Riccardi betonte, das Beispiel Berlin zeige, wie gemeinsamer friedlicher Druck von Menschen Mauern zu Fall bringen könne.

Zu dem bis Dienstag dauernden Friedenstreffen werden rund 1.000 Teilnehmende, unter ihnen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), und Gäste aus mehr als 30 Ländern erwartet. In 20 Foren geht es um Themen wie Umweltkrise, Migration, interreligiöser Dialog, Demokratie, Globalisierung, Abrüstung oder Künstliche Intelligenz.

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