Katechetin Barbara Scheck erlebt schwindende Ausstrahlung der christlichen Gemeinschaft

Weniger Erwachsenentaufen Indiz für kirchliche Großwetterlage

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In den vergangenen Jahren gibt es im Bistum Münster immer weniger erwachsene Taufbewerber. Pastoralreferentin und Katechetin Barbara Scheck aus Gronau macht die Wahrnehmung von Kirche in der Öffentlichkeit dafür verantwortlich. Nach 20 Bewerbern, die sie in sechs Jahren begleitete, gibt es seit zwei Jahren überhaupt keine Kandidaten in ihrer Pfarrgemeinde St. Antonius.

Die Zahlen der Erwachsenentaufen im Bistum Münster gehen in den vergangenen Jahren stark zurück. Die Corona-Pandemie hat die Anfragen auf eine kirchenrechtliche Zulassung zusätzlich verkleinert. Den Trend aber allein mit den derzeit wegfallenden Möglichkeiten in den Vorbereitungen zu erklären, greift für Barbara Scheck zu kurz. Die Pastoralreferentin, die sich seit vielen Jahren um die Kandidaten in der St.-Antonius-Pfarrgemeinde in Gronau kümmert, sieht darin vor allem ein Indiz für die öffentliche Wahrnehmung von Kirche und ihren Angeboten.

„Wenn sich erwachsene Menschen dazu entschließen, sich taufen zu lassen, tun sie das bewusst mit Blick auf den Mehrwert für sich und ihr Leben“, sagt die 57-Jährige, die seit acht Jahren die Begleitung der Taufbewerber in ihrer Pfarrgemeinde übernommen hat. „Es geht ihnen um Geborgenheit, Zuversicht und Gemeinschaft.“ Sie hat das auf unterschiedliche Weise von den  Täuflingen erfahren können, mit denen sie den Weg bis zur Taufe meist in der Osternacht gegangen ist. Die Themen sind für die Menschen aktuell geblieben, ist sie überzeugt. „Wenn jetzt immer weniger unsere Glaubensgemeinschaft als Ort der Auseinandersetzung damit aufsuchen, liegt es an den anderen Themen, die unser Angebot in der öffentlichen Diskussion überlagern.“

 

Kirche wird als Ort von Skandalen wahrgenommen

 

Die Nachfrage Erwachsener für eine Taufzulassung sind für sie damit ein Thermometer für eine gesellschaftliche Großwetterlage. Sie zeigt, wie Kirche und ihre Angebote in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. „Und da stehen seit einigen Jahren ganz andere Themen in den Schlagzeilen“, sagt Scheck. „Wenn über Kirche diskutiert wird, geht es vor allem um Missbrauch oder Klerikalismus.“ Nicht um das „Eigentliche, Gewinnbringende und Hoffnungsfrohe“, das die christliche Gemeinschaft ausstrahlen kann, wird damit überdeckt. „Dann verschwindet aber auch der zentrale Anreiz, ein Teil von ihr zu werden.

Diesen Anreiz hat sie über die Jahre auf unterschiedliche Weise erleben können. „Ich habe nie Werbung für die Möglichkeit der Erwachsenentaufe machen müssen“, sagt Scheck. „Die Bewerber sind immer von sich aus auf mich zugekommen.“ Mund-zu-Mund-Propaganda, Gespräche mit Freunden über den Lebenssinn oder die Orientierungssuche nach Migrations-Erfahrungen waren oft der Anstoß dafür. Immerhin machten sich zwischen 2012 und 2018 insgesamt 20 Kandidaten mit ihr auf den Weg zur Taufe. Seither gibt es keine Anfragen mehr.

 

Deutlicher Rückgang der Bewerbungen

 

Die Zahlen passen zum allgemeinen Trend. Im Bistum Münster erreichten sie Anfang der 2000er Jahre ein Hoch, das lange anhielt. Bis 2018 stellten im Bistum Münster jährlich zwischen 150 und 200 erwachsene Bewerber den Antrag auf die Zulassung zur Taufe. 2020 waren es nur noch 91 Bewerbungen. 2021 wird die Zahl voraussichtlich noch viel weiter darunter liegen. Die zentrale Zulassungsfeier mit Bischof Felix Genn im Paulusdom am ersten Fastensonntag musste Corona-bedingt ausfallen. Angemeldet hatten sich ohnehin nur vier Kandidaten. 2019 waren es noch 18 gewesen.

„Mich schmerzen solche Zahlen enorm“, sagt Scheck. „Weil mein Herz für diese Form der Glaubensweitergabe schlägt.“ Die Täuflinge, die mit ihr christliches Leben, die Bibel und die Liturgie kennenlernten, kamen nicht aus Tradition oder gar familiärem Zwang. „Sie kamen, weil sie auf ihre persönlichen Fragen Antworten bewusst von uns Christen suchten.“ Am Beispiel einer türkischen Migrantin, die vom Islam zum Christentum konvertierte, wurde ihr das besonders deutlich. „Sie hat enorm viel auf sich genommen, wurde von der Familie verstoßen, bangte um ihr Leben.“ Am Ende waren es die Werte der christlichen Gemeinschaft, die für sie ausreichend Grund waren, das durchzustehen. „Übrigens mit wunderschönem Ausgang“, sagt die Pastoralreferentin. „Sie konnte sich mit ihren Brüdern, die ihr zuvor noch gedroht hatten, am Ende noch versöhnen.“

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