Geistlicher ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr

Wenn der Pieper geht, springt Kaplan Tobias Eilert in die Uniform

Anzeige

Er sagt, dass er nicht die Welten wechselt, wenn ihn sein Pieper zum Einsatz ruft. Der technisch-professionelle Einsatz des Feuerwehrmanns und seine Arbeit als Seelsorger haben einiges gemeinsam, sagt Kaplan Tobias Eilert.

Der Priesterkragen bleibt an. Wenn Tobias Eilert die schwere Funktionsjacke der Freiwilligen Feuerwehr Emsdetten überstreift, ist keine Zeit fürs Umziehen. So wie er in das Gerätehaus mitten in der Stadt geeilt ist, springt er in die Hose, gleitet dabei in die Stiefel und zieht den Reißverschluss des Overalls zu. Atemmaske dazu, Helm in die Hand und ab zum bereitstehenden Löschgruppenfahrzeug. Der Kaplan ist oft einer der ersten, der dort Platz nimmt. Kein Wunder – seine Wohnung neben der Herz-Jesu-Kirche liegt nur etwa 300 Meter Luftlinie entfernt.

Seinen Pieper, jenen kleinen Funkmelde-Empfänger für den Alarm, den alle 180 freiwilligen Feuerwehrleute in Emsdetten bei sich tragen, hat auch er immer am Mann. „Nur wenn ich Gottesdienst feiere, liegt er in der Sakristei“, sagt Eilert. Es gibt Zeiten, die sind auch dem Feuerwehrmann in ihm heilig. „Wenn ich mehr als Priester und Seelsorger gebraucht werde, geht das vor.“ Was immer ein Abwägen ist. Denn auch mit dem Feuerwehrauto fährt er in der Regel dorthin, wo Menschen ihn brauchen. „Wo ich helfen will, wo ich Not lindern kann, wo ich retten soll.“

Eilert der einzige Geistliche

Ein Trauergespräch wird er für die Beseitigung einer Ölspur nicht verlassen. Eine Gremiensitzung für einen Großbrand mit Menschenleben in Gefahr dagegen schon. „Diese Entscheidungen muss nicht nur ich immer wieder treffen, das gilt für jeden meiner Kameraden“, sagt der 30-Jährige. Alle Berufsgruppen sind unter ihnen: Ärzte, Handwerker, Bänker… Und eben ein Geistlicher: Eilert.

Der hat sich mit seinem Einsatz bei der Feuerwehr nicht wenig Stress in seinen Alltag geholt. Fast 200 Einsätze ist er im vergangenen Jahr mitgefahren: Brände, Verkehrsunfälle, Bergung von Verstorbenen, Hochwasser-Situationen… Wie etwa am vergangenen Weihnachtsfest. „Nach der nächtlichen Christmette habe ich Sandsäcke geschleppt und Keller leergepumpt.“ Die Ems war über die Ufer getreten. Deswegen ging es auch nach der Frühmesse am nächsten Tag direkt wieder raus.

Rauer Ton im Einsatzwagen

Nicht nur zeitlich fordert ihn das enorm. Auch mental muss er mit den Erlebnissen fertig werden. Denn in den Einsätzen erlebt er oft Menschen in existenzieller Not. „Vor Ort denke ich technisch und arbeite professionell“, sag Eilert. „Da bin ich kein Seelsorger oder Priester, da bin ich ganz Feuerwehrmann.“ Das ist im wichtig: „Darauf können sich meine Kameraden immer verlassen.“ Trotzdem nehmen er und seine Mitstreiter nicht selten Belastendes mit auf die Rückfahrt. Als Seelsorger wäre er dann eigentlich am richtigen Ort. „Ich bin aber kein Notfallseelsorger – wir sprechen dann als Kameraden miteinander – übrigens oft ziemlich rau, um den Stress loszuwerden.“

Hier der sensible Seelsorger, dort der zupackende Helfer – springt er zwischen zwei Welten, wenn er sich beim Alarm auf sein Fahrrad schwingt und zur Wache rast? „Überhaupt nicht, da gibt es viel Gemeinsames“, sagt Eilert. „Hier wie da ist es ein Dienst für den Menschen – egal vor welchem Hintergrund und mit welcher Bezeichnung das geschieht.“ Eilert kommt als Christ, für den der Einsatz Nächstenliebe ist. „Ein anderer hat mit Glauben vielleicht wenig zu tun und kommt aus humanitärer Motivation.“

Gemeinde und Kameradschaft

Eilert findet einige Schnittmengen für seinen christlichen Hintergrund mit seinem Feuerwehr-Einsatz. „Die Gemeinschaft“, nennt er ein Beispiel. „Ob wir es Gemeinde oder Kameradschaft nennen – immer geht es darum, miteinander Lösungen zu finden, sich aufeinander verlassen zu können, sich für den anderen einzusetzen.“ Er selbst sieht sich dabei ganz und gar nicht in einer „doppelten Heldenrolle“, sagt Eilert. „Priester und Feuerwehrmann klingt vielleicht so – beide Aufgaben muss ich aber immer wieder neu mit meinen menschlichen Möglichkeiten füllen.“

Natürlich sitzt er auch als Glaubenszeuge im Einsatzwagen oder in den wöchentlichen Fortbildungsrunden. „Ich hoffe, dass dann auch meine Begeisterung für den Glauben wahrgenommen wird – ich komme aber nicht als Priester Eilert, der missionieren will, sondern als der Christ Tobias, der zeigt, dass er es mit der Nächstenliebe ernst nimmt.“ Und der zeigt, dass ihm sein Glaube bei den Herausforderungen der Einsätze hilft.

Es piept in den Kirchenbänken

Es gibt Momente, da ist er auch unter seinen Kameraden als Priester gefragt. „Feuerwehrtrauungen oder -taufen.“ Eilert wird angefragt, wenn in seiner Truppe Sakrament oder kirchliche Feste anstehen. Auch der jährliche Gedenkgottesdienst für die verstorbenen Feuerwehrleute gehört dazu. Sein Pieper liegt dann in der Sakristei, alle anderen haben ihn in der Anzugtasche. Was schon mal zu Ausnahmesituationen im Gottesdienst führen kann. „Einmal piepte es durch alle Reihen und die Bänke leerten sich für einen Einsatz.“ Eilert blieb am Altar, die Küsterin fand den Knopf zum Stummschalten seines Piepers. „Dann konnte es in Ruhe weitergehen.“

Wie wichtig ihm sein Ehrenamt immer war, belegt seine Feuerwehrmann-Laufbahn. Mit 14 in seinem Heimatort Ochtrup in die Jugendfeuerwehr eingetreten, blieb er ununterbrochen am Ball. Auch als er ins Priesterseminar nach Münster wechselte, in seinem Freisemester in Freiburg oder als Diakon in Oelde – einer seiner ersten Wege führte ihn dort immer zu den Feuerwachen, um sich anzumelden.

„Ich wurde dabei von allen unterstützt.“ Im Seminar durfte nachts der Pieper genauso gehen wie im Pfarrhaus in Oelde. Eilert bildete sich an den Orten immer weiter fort, um mehr Aufgaben übernehmen zu können. Mit der Motorsäge kann er mittlerweile umgefallene Bäume beseitigen, mit Atemschutz-Ausrüstung und Pressluftflaschen in brennende Gebäude vorrücken oder mit der ABC-Schutzkleidung gefährliche Unfall-Situationen angehen. Nicht alle Einsätze erfordern diese Sonderausbildungen, sagt Eilert. „Manchmal ist es auch ganz klassisch die Katze auf dem Baum, die gerettet werden muss.“

Anzeige