Neuer Leiter der Abtei Königsmünster im Gespräch

Wie gehen Sie mit Ihrer Macht um, Abt Cosmas?

Anzeige

Der 58-jährige Cosmas Hoffmann wird an diesem Samstag feierlich als neuer Abt der Benediktiner von Königsmünster in Meschede gesegnet. Rund 50 Mönche haben ihn demokratisch gewählt. Ein Bischof hat dort nichts zu sagen. Was kann die Kirche in Reformfragen vom Kloster lernen?

Abt Cosmas, Sie übernehmen die Leitung eines nicht eben kleinen Klosters in Zeiten, in denen in der katholischen Kirche viel über Macht und Machtmissbrauch gesprochen wird. Wie gehen Sie mit dieser Machtfülle des Abtseins um?

Das ist zweifellos ein brisantes Thema, hinter dem leidvolle Erfahrungen von Vertrauensbruch, Verantwortungslosigkeit, Manipulation und Angst stehen. Dabei sind gerade Vertrauen und Verantwortung zwei wichtige Grundhaltungen, wenn man Macht als etwas versteht, das Beziehungsverhältnisse in unterschiedlicher Weise prägt. Darum haben wir in der Gemeinschaft auf dem Weg zur Wahl auch über Vertrauen und Verantwortung gesprochen. So habe ich dann auch die Wahl selbst erlebt: Die Brüder haben mich gewählt – und dann wurde ich gefragt, ob ich die Wahl annehme. So wie sie die Freiheit der Wahl hatten, hatte ich die Freiheit, nein zu sagen. Wenn mich die Brüder wählen, ist das für mich ein Ausdruck ihres Vertrauens, ihnen gegenüber muss ich mich verantworten. Und wenn ich die Wahl annehme, vertraue ich darauf, dass die anderen mich unterstützen. Das ist wiederum ihre Verantwortung.

Ein Abt trägt Ring, Stab, Brustkreuz – und Mitra, auf die mancher Abt heute als äußeres Hierarchie-Zeichen bewusst verzichtet. Wie werden Sie es halten?

Ich verstehe mich zuerst als Teil unserer Gemeinschaft. Auch dafür gibt es äußere Zeichen, die ich gleich zu Beginn gesetzt habe: Ich ziehe nicht mehr als Einzelner vorneweg in die Kirche ein, sondern immer mit dem Prior oder dem ältesten Bruder neben mir. Oder: Der Platz des Abtes in der Abteikirche war bislang eine einzelne, zwischen den beiden Teilen unseres Chorgestühls stehende Abtsstalle. Jetzt haben wir sie weggestellt und ich sitze mit den Brüdern in einer Reihe. Während der Ring die Verbundenheit mit der Gemeinschaft ausdrückt und der Stab für den Hirtendienst steht, ist die Mitra eher ein Würdezeichen, Kennzeichen einer Abtei, das nicht mir persönlich, sondern der Abtei gilt, darum werde ich sie auch tragen. Wichtiger ist bei all diesen Insignien zweifellos, wie derjenige, der sie trägt, dann tatsächlich Leitung gestaltet.

Eine Benediktinerabtei ist exemt, die Autorität des Bischofs endet an der Klosterpforte. Zu Ihrer Abtsweihe kommt aber doch ein Bischof, auch wenn es sich „nur“ um eine feierliche Segnung handelt. Wie stehen bischöflich und mönchisch verfasste Kirche zueinander?

Ich meine, beide sollten in einer guten Konkurrenz im eigentlichen Sinne des Wortes von „gemeinsam laufen“ stehen. Leonardo Boff fasst dieses Verhältnis mit der Spannung von Charisma und Macht. Ein gutes Beispiel für diesen gemeinsamen Lauf ist das Eilen von Petrus und Johannes zum Grab Jesu. Johannes, der für das Charisma steht, ist als Erster dort, lässt aber Petrus, der für das Amt steht, den Vortritt. Petrus verlässt das Grab mit vielen Fragezeichen im Gesicht, Johannes geht hinein, schaut und versteht. Es geht also um das Zusammenspiel von Spiritualität, eine gewisse Leichtfüßigkeit – und Amt, das Struktur und Halt geben kann.

Der heilige Benedikt sagt in seiner Regel etwas über die Aufgaben des Abtes, was nach einem weltlichen Management-Profil klingt – dass er nämlich „Menschen führen“ soll. Was bedeutet das für Sie?

Benedikt ist ein sehr erfahrener und konkret denkender Mann. Darum verbindet er in seiner Regel das „Menschenführen“ mit dem Anspruch, „der Eigenart vieler zu dienen“. Leitung heißt also: den Einzelnen im Blick haben, wahrnehmen, was ihm möglich ist und er braucht, die Einzelnen zusammenbringen und alle gemeinsam in eine Richtung führen.

In der Kirche sehnen sich viele nach Reform, andere setzen auf bewährte Tradition. Solche Spannungen soll es auch in Klostergemeinschaften geben. Ihr Rat?

Ein Beispiel: Wir haben am vergangenen Wochenende mit der gesamten Gemeinschaft intensiv über die Jugendarbeit in unserem Gästehaus, der „Oase“, gesprochen, für die wir seit vielen Jahren bekannt sind. Unser Durchschnittsalter ist inzwischen 60, einige sind älter, einige jünger. Mancher Älterer sagt: "Die Jugendarbeit ist wirklich nicht mehr meine Baustelle." Und mancher Jüngerer hält dagegen: "Entschuldige, aber ich bin noch etwas länger hier, und wir müssen schauen, dass junge Menschen zu uns kommen, und es weitergeht." Das klingt nach Widerspruch. Wichtig ist, dem anderen das Seine zuzugestehen. Wenn jeder einbringt, was ihm möglich ist, dann ist das ein großer Reichtum an Gaben. Vielfalt fordert heraus, aber sie macht das Herz weit und bereichert ungemein.

Sie sind demokratisch von Ihren Brüdern gewählt worden, wie ohnehin die Gemeinschaft viele Dinge durch Abstimmungen beschließt. Haben Äbte weniger Angst vor Demokratie als Bischöfe?

Im Blick auf den Synodalen Ausschuss, der gerade die nächsten Schritte zum Synodalen Rat angeht und für weitere Abstimmungen eine einfache Zwei-Drittel-Mehrheit vereinbart hat, nehme ich die Bereitschaft der Mehrheit der Bischöfe zu verstärkten Formen der Beteiligung wahr. Angesichts der Herausforderungen der sehr komplexen und unklaren Weltlage ist es nun auch höchste Zeit, dass wir uns als Kirche, Gesellschaft und Menschheit gemeinsam auf den Weg machen, dass wir möglichst viele beteiligen und zusammen daran arbeiten, die Schöpfung zu bewahren, Gerechtigkeit zu schaffen und Frieden zu ermöglichen. Dinge, die alle betreffen, erfordern auch die Beteiligung aller.

Sie sind schon der dritte der bislang fünf Äbte von Königsmünster, der nicht mehr auf Lebenszeit, sondern für zwölf Jahre gewählt wurde. Wie sehr entlastet das, wie sehr schränkt das ein?

Mich entlastet das sehr. Gleichzeitig braucht es eine gute Zeitspanne, um wirklich gestalten zu können. Denn Leitung heißt immer auch Auseinandersetzung: Es braucht Zeit, damit sich zeigen kann, wo Veränderungen anstehen, und damit sie fruchtbar werden können. Ganz persönlich halte ich es für sinnvoll, eine Aufgabe wieder abgeben und mich anderem zuwenden zu können. Das ist ein Gewinn für den Einzelnen, aber auch für die Gemeinschaft, die dann wieder andere Charismen für diesen Dienst bereithält.

Wäre das für Bischöfe auch denkbar?

Warum nicht? Es gibt ja auch dort schon eine Altersbeschränkung. Die Frage wäre, welche Rolle diese Altbischöfe dann spielten. Bei uns im Kloster geht mein Vorgänger wieder zurück an seinen früheren Platz und legt auch seinen Abtstitel ab. Dadurch verliert das Amt einiges an Macht-Aufladung.

Die Kirche in Deutschland steht vor gewaltigen Verlusten an Mitgliedern, Geld, Nachwuchs, Relevanz. Was sind die Herausforderungen von Königsmünster?

All das kennen wir natürlich auch: Der Nachwuchs kommt zögerlicher, ebenso die Spenden. Hinzu kommt, dass wir seit unserer Gründung vor nicht einmal 100 Jahren nie über große Güter verfügt, sondern immer eher von der Hand in den Mund gelebt haben. Zudem sind wir nicht direkt an den Kirchensteuertopf angeschlossen. Und zugleich wird von Klöstern erwartet, dass etwa die seelsorgliche Beratung kostenlos ist. Doch wenn die Brüder Menschen gut begleiten sollen, brauchen sie neben einer entsprechenden Ausbildung auch etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf, all das kostet sehr wohl. Auch unsere Bildungsangebote wollen wir natürlich so gestalten, dass sich junge Leute und Menschen mit geringen Einkommen diese leisten können. Wir sind dankbar für alle Unterstützung durch das Erzbistum Paderborn, die wir für verschiedene Projekte und Tätigkeiten erhalten. Doch sind wir bei ganz banalen Dingen auf Hilfe angewiesen – wie etwa bei der Altersvorsorge oder der Sorge für die älteren Brüder. Anders ist es allerdings an einem Punkt: Während sich viele mit „der Kirche“ schwertun, nehmen wir nach wie vor ein großes Interesse an unserem Leben, unserer Liturgie, unseren geistlichen Angeboten wahr.

Woher kommt diese bleibende Anziehungskraft?

Zum einen merken die Menschen, dass diese Mönche in schwarzen Gewändern nicht einfach eine Mittelaltergeschichte sind, sondern eine heutige Lebensform. Sie können zudem teilhaben an einer Erfahrung, die uns trägt: Glaube ist für uns etwas Selbstverständliches, Kostbares – das vergessen wir manchmal. Oder unsere Abteikirche: Dieser für viele unerwartet moderne Raum weckt in vielen die Sehnsucht nach Mehr, Stille, Weite, Sinn, nach dem Geheimnis, das wir Gott nennen.

Sie sind seit langer Zeit im interreligiösen Gespräch engagiert – nicht zuletzt mit buddhistischen Mönchen. Dort kennt man die Möglichkeit des Mönchseins auf Zeit. Könnte das angesichts der Bindungs-Scheu des heutigen Menschen eine Möglichkeit auch für christliches Mönchsein darstellen?

Das ist für mich seit über 30 Jahren eine Frage. Ich habe unmittelbar vor meinem Eintritt in Königsmünster in einem indischen Ashram mitgelebt. Das war ein solches „Kloster auf Zeit“. Wir bieten das in Königsmünster auch seit vielen Jahren an. Denn auch für uns ist es wichtig, dass wir nicht nur für uns unseren Mönchs-Weg gehen, sondern andere einladen, eine Zeit mitzugehen, den Mönch in sich zu entdecken. Das ist klassische benediktinische Gastfreundschaft, die uns in Königsmünster ohnehin ganz besonders am Herzen liegt.

Apropos! Was macht Königsmünster aus?

Ich nehme aus Rückmeldungen unserer Gäste, aber auch aus der gerade jetzt noch einmal neu aufkommenden Diskussion im Konvent wahr, dass wir ein sehr lebendiger Ort sind, bodenständig und niederschwellig. Jede und jeder ist mit ihren und seinen Glaubens- und Lebenskontexten herzlich willkommen! Diese Offenheit stärker deutlich zu machen, ist absolut wichtig, übrigens auch für die Kirche insgesamt: dass sie sich wirklich aufmacht in das große Forum der Welt, dass sie einladender ist, Hilfen gibt, sich positioniert in der Gesellschaft – als ein Angebot, den Glauben darzulegen in der ganzen Freiheit und in der guten Konkurrenz etwa mit anderen Religionen. Das halte ich für eine ganz gewaltige Chance!

Zur Person
Cosmas Hoffmann (58) stammt aus Dortmund. 1987 trat er in die Abtei Königsmünster in Meschede ein, 1994 wurde er zum Priester geweiht und 2001 zum Doktor der Theologie promoviert. 2013 ernannte ihn sein Abtsvorgänger zum Subprior, 2020 zum Prior, also dem Stellvertreter des Abtes. 2012 übernahm Cosmas Hoffmann einen Lehrauftrag für Religionswissenschaften und Fundamentaltheologie in St. Augustin, später auch für Theologie und Spiritualität der Religionen in Münster und in Berlin.

Anzeige