Kirchenvertreter klagen über Verhalten in Corona- und Wirtschaftskrise

152 Bischöfe werfen Brasiliens Präsident Bolsonaro Unfähigkeit vor

152 Bischöfe aus Brasilien werfen Medienberichten zufolge Präsident Jair Messias Bolsonaro Unfähigkeit angesichts der aktuellen Krisenlage vor. Auch der aus dem Bistum Münster stammende Bischof von Óbidos, Johannes Bahlmann, zeigt sich besorgt.

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Eine Gruppe aus 152 Bischöfen, Erzbischöfen und emeritierten Bischöfen aus Brasilien wirft Medienberichten zufolge Präsident Jair Messias Bolsonaro und seiner Regierung Unfähigkeit angesichts der aktuellen Krisenlage vor. Brasilien erlebe wegen der Pandemie und der schweren Wirtschaftskrise mit ihren sozialen Folgen einen der schwierigsten Momente seiner Geschichte, so der unter anderem von Kardinal Claudio Hummes (85) und dem emeritierten Amazonas-Bischof Erwin Kräutler unterzeichnete Brief.

Der als „Brief an das Volk Gottes“ (Carta ao Povo de Deus) betitelte Text bezeichnet die aktuelle Krise als „perfekten Sturm“, für den zum großen Teil Bolsonaro verantwortlich sei. Brasilien sei ohnehin schon eine ungleiche, ungerechte und gewalttätige Gesellschaft. „Diese Realität lässt keine Gleichgültigkeit zu.“ Die Regierung sei jedoch untätig und lasse zu, dass Holzfäller, Goldsucher und Landwirte der Natur und neoliberale Wirtschaftsführer den Ärmsten schwere Wunden zufügten.

 

Nahezu 90.000 Todesopfer wegen Corona

 

Zudem klagen die Kirchenvertreter die Covid-19-Politik der Regierung an: „Wir müssen den wissenschaftsfeindlichen Diskurs miterleben, der die Tausenden von Toten als etwas Normales erscheinen lassen will, so als ob sie das Ergebnis eines Zufalls seien oder einer göttlichen Strafe.“ Ebenso gleichgültig sei die Regierung gegenüber dem daraus folgenden wirtschaftlichen und sozialen Chaos. Ihr gehe es alleine um den Machterhalt.

Seit Beginn der Pandemie, die in Brasilien bereits nahezu 90.000 Todesopfer gefordert hat, hatte Bolsonaro das Virus als „kleine Grippe“ und die Maßnahmen zur Bekämpfung als „Hysterie“ bezeichnet. „Dieser Diskurs basiert nicht auf ethischen oder moralischen Grundsätzen“, so die Kirchenvertreter. Die von der Regierung eingeleiteten Wirtschaftsreformen würden zudem einen Neoliberalismus einführen wollen, der lediglich eine kleine Gruppe Mächtiger diene und der großen Menge der Bevölkerung schade. Die Wirtschaftspolitik „töte“ mit ihrem Fokus auf „Gewinn um jeden Preis“.

 

Journalistin veröffentlichte den Brief

 

In dem Brief heißt es weiter: „Ebenso erschüttert uns die Abneigung (der Regierung) gegenüber der Bildung, der Kultur, dem Gesundheitssystem und der Diplomatie.“ Die Regierung habe sich die Bildung und Kultur als Gegner ausgesucht, und genauso lehne sie die Presse- und Meinungsfreiheit ab. Zudem missbrauche die Regierung die Religion, um Hass zu säen und die Gesellschaft zu spalten.

Die Kritik der Kirchenvertreter sollte ursprünglich am vergangenen Mittwoch von der Bischofskonferenz veröffentlicht werden, wurde von dieser jedoch angeblich zur inhaltlichen Analyse zurückgehalten. Am Samstag veröffentlichte eine Journalistin der Zeitung „Folha de S. Paulo“ den Inhalt des Briefes. Einige der Unterzeichner hätten befürchtet, dass der konservative Flügel der Bischofskonferenz den Brief schlicht nicht veröffentlichen wolle, hieß es dazu.

 

Bischof Bahlmann: Krise weitet sich aus

 

Auch der aus dem Bistum Münster stammende Bischof von Obidos im Amazonasgebiet, Johannes Bahlmann, zeigt sich äußerst besorgt über die Lage. "Wir haben hier pro Tag 20 bis 30 Neuinfizierte und ein bis 2 Tote", berichtet er in einer Mail an die Redaktion von "Kirche-und-Leben.de". Die Krise weite sich weiter aus. Die Zahlen der Neuinfizierten sei instabil, mal stiegen sie, mal fielen sie. "Wir lernen mit dieser neuen Situation umzugehen, die uns ja noch lange begleiten wird." Ob auch Bahlmann den Brief der 152 Bischöfe unterzeichnet hat, ließ sich zunächst nicht klären.

Vor zwei Wochen habe das Bistum von Papst Franziskus ein Beatmungsgerät für das Krankenhaus in Óbidos geschenkt bekommen, berichtet Bahlmann weiter. Viele Tagelöhner stünden momentan auf der Straße. "Wir versuchen, durch Lebensmittel und Hygienematerial die Not ein wenig zu lindern."

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