Anzeige
Es kommt regelmäßig vor, dass Bettina Stukenborg vier Stunden Schlaf reichen müssen. Nämlich dann, wenn nachts ihr Handy klingelt. Wenn die 53-Jährige Rufbereitschaft hat für das Frauen- und Kinderschutzhaus in Trägerschaft des Sozialdienst katholischer Frauen in Vechta, geht sie rund um die Uhr ans Telefon: „Es kommt vor, dass ich nur ein Gespräch führe, den Frauen in ihrer Notsituation zuhöre und sie berate.“ Oder die Polizei ist dran, und bittet sie aufs Revier zu kommen: „Dann hole ich die Frauen dort ab, und die Polizei begleitet uns meistens bis zum Frauenhaus.“
Der Standort des Hauses wird nicht veröffentlicht, um die rund 50 Frauen, die hier durchschnittlich jedes Jahr Zuflucht suchen, vor Zugriffen durch Männer oder Angehörige zu schützen. Vier hauptamtliche Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen kümmern sich um die Frauen und Kinder, die bis zu sechs Wochen eine sichere Bleibe haben. Oft haben die Frauen wegen ihres Ehemanns, Partners oder Angehörigen schon einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie den Mut fassen zu gehen: „Ich habe den Eindruck, dass Frauen sich heute anders vorbereiten“, sagt Bettina Stukenborg, die sich seit 26 Jahre ehrenamtlich im Arbeitskreis „Frauenhaus Vechta“ engagiert. Einige rufen vorher in der Beratung des SkF an, informieren sich und bereiten ihren Auszug vor: „Sie planen das so, dass der Mann nicht zu Hause ist.“ Dann trifft man sich auch tagsüber an einem neutralen Ort und begleitet die Frauen ins Haus.
Die Töchter kehren ins Frauenhaus zurück
Das Frauenhaus in Vechta nimmt Frauen auf, die von ihrem Partner misshandelt werden. | Symbolbild: pixabay.com
„Manche haben wir in der dritten Generation hier“, berichtet Stukenborg. Gewalt tradiere sich in den Familien: „Man fühlt sich zu dem hingezogen, was man kennt, auch wenn es Schreie, Schläge oder physische Gewalt sind“, sagt Stukenborg über die Gründe, warum Töchter ähnliche schädliche Beziehungen eingehen wie ihre Mütter. Besonders froh macht es Bettina Stukenborg, wenn Frauen es schaffen, sich aus diesem Kreislauf zu befreien: „Doch fast die Hälfte geht wieder zurück zu ihrem Partner, getrieben von der Hoffnung, dass es schon wieder gut wird.“
„Honeymoon-Phasen“ nennt Maria Neemann das. Sie leitet das Frauen- und Kinderschutzhaus in Vechta seit 30 Jahren. „Das Leben hier hat Übergangscharakter“, erklärt Maria Neemann, „wir versuchen, den Frauen Hilfestellungen zu geben, bis sie sich stabilisieren konnten.“ Die Mitarbeiterinnen klären die Frauen über finanzielle und rechtliche Angelegenheiten auf. „Viele wissen nicht, was ihnen zusteht“, sagt Maria Neemann. Einige Männer drohen mit dem Entzug der gemeinsamen Kinder, sollte die Frau sie verlassen. Erst in der Beratung erfahren die Frauen dann oftmals, dass der Mann ihnen die Kinder gar nicht wegnehmen kann. Die Frauen geben sich für das Verhalten ihres Partners häufig selbst die Schuld. Die Scham ist groß, über das Erlebte zu sprechen, aber in der sicheren Umgebung des Frauenhauses können sie sich öffnen.
Im Frauenhaus ist alles für einen plötzlichen Einzug bereit
Das Haus bietet fünf Plätze, die Anzahl der Kinder ist nicht begrenzt: „Wir stellen sonst auch Gästebetten dazu. Manchmal müssen wir auch Gesuche ablehnen.“ Das Frauenhaus finanziert sich zu einem Teil über den Landkreis, ist aber auch auf Spenden angewiesen: „Die Zimmer stehen so bereit, dass die Frauen, die manchmal mit nichts kommen, sofort einziehen können. Nicht alle können aus einer Notlage heraus auch noch ihren Kulturbeutel mitbringen“, so Neemann.
Keine Mittel dagegen erhält das Frauenhaus für Investitionskosten, wenn zum Beispiel neue Matratzen nötig werden. Meistens ist es aber der Fall, dass Frauen aus der Beratung heraus ins Frauenhaus kommen. Corona hat auch hier die Arbeit erschwert: „Früher konnten sich Frauen auch anonym beraten lassen, das aber geht heute nur noch per Telefon.“
Das Frauenhaus Vechta ist rund um die Uhr erreichbar unter der Telefonnummer 04441/83838. Auch eine Aufnahme ist zu jedem Zeitpunkt möglich. Per E-Mail zu erreichen ist die Einrichtung unter frauenhaus(at)skf-vechta.de. Frauen ab 25 Jahren, die sich ehrenamtlich einbringen möchten, sind ebenfalls willkommen. Die Aufgaben sind vielfältig: Hausaufgabenbetreuung für die Kinder, Fahrdienste zu Ärzten oder Behörden, oder die Rufbereitschaft, Kontakt per E-Mail unter info(at)skf-vechta.de.