Mit ihrem Kirchenaustritt protestiert Doris Riesenbeck gegen die Amtskirche

75 Jahre war die Kirche ihre Heimat – jetzt ist Schluss

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Doris Riesenbeck aus Warendorf ist religiös aufgewachsen und hat sich 75 Jahre in der Kirche beheimatet gefühlt. Jetzt ist sie ausgetreten. Grund dafür waren allein Entscheidungsträger in der Amtskirche.

Als sie Anfang März auf dem Formular vom Amtsgericht Warendorf ihren Austritt aus der katholischen Kirche bescheinigt bekam, war das eigentlich falsch. Das sagt Doris Riesenbeck selbst: „Ich bin ja nicht aus der Kirche ausgetreten, sondern habe der Amtskirche den Rücken gekehrt.“ Das unterstreicht die 75-Jährige mit Vehemenz. „Aus der Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen kann ich gar nicht per Antrag austreten.“

Das will sie auch nicht. Denn von dem, was der Großteil der Menschen im kirchlichen Raum bewirkt, ist sie überzeugt und nicht selten begeistert. „Wo das Gebot der Nächstenliebe im Mittelpunkt steht, kann nichts falsch laufen.“

 

Kirche gehörte immer zu ihrem Leben

 

Aber genau diese Ausrichtung spricht sie vielen Akteuren in leitenden Funktionen der Kirche mittlerweile ab. Und dabei wird sie deutlich: „Je höher das Amt in der Hierarchie, desto größer scheint die Gefahr, den Blick für den Stellenwert des einzelnen Menschen zu verlieren.“

Wie konnte es für sie so weit kommen? War sie doch im Volksglauben des Münsterlandes groß geworden. Hatte sie doch alle klassischen Stationen des katholischen Lebenslaufes erlebt. War sie doch Lehrerin für katholische Religion geworden, regelmäßige Kirchgängerin, aus ihrem Glauben heraus sozial engagiert. „Das kirchliche Leben gehörte immer zu meinem“, sagt die 75-Jährige. „Es war Teil meines Weges.“

 

Schwerpunkt Nächstenliebe

 

Der Glaube, mit dem sie aufwuchs, hatte immer einen Schwerpunkt, erinnert sich Riesenbeck: „Die Nächstenliebe.“ Das bekam sie von daheim mit. „Den Blick auf die Situation anderer lebten meine Eltern vor.“

Und der beste Ort, um sich dafür zu stärken und zu orientieren, war die Kirche. Das vermittelten ihr die Eltern. Sie fragte den Vater einmal nach dem Grund für die gemeinsamen Gottesdienstbesuche. „Es ist das beste, was ich euch bieten kann“, war sein Antwort.

 

Kirche und Glaube – ein Spannungsfeld für sie

 

Heimat Kirche – das war für Doris Riesenbeck aber auch immer eine kritische Auseinandersetzung damit. Als Kind liebte sie Predigten, in denen sich die Priester laut über Missstände beklagten. Als Jugendliche diskutierte sie stundenlang über das Zweite Vatikanische Konzil. „Boah, was war das für ein Gefühl des Aufbruchs.“ Und auch als Religionslehrerin legte sie Wert auf die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld Kirche und Glaube.

Dabei gab es aber auch einen „stetigen Prozess der Rückschläge“, sagt Riesenbeck. Einen wachsenden „Berg an kleinen und großen Enttäuschungen“.

Immer dann, wenn sie fühlte, dass Entscheidungsträger in der Kirche Prinzipien und Grundsätze über das Wohl des einzelnen Menschen stellten. In welchen Bereichen? Die Antworten darauf sprudeln nur so aus ihr heraus: „Ökumene, Sexualmoral, Stellenwert von Laien, die Rolle der Frau…“

 

Entschluss wuchs nach und nach

 

Ihre Entscheidung zum Austritt kann sie deshalb auch an keinem einzelnen Ereignis festmachen. „Sie hat sich nach und nach entwickelt.“ Auch wenn der Umgang mit Missbrauchsstudien oder das Verbot der Segnung von homosexuellen Paaren Wasser auf ihre Mühlen gewesen sei: „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meinen Entschluss längst gefasst.“

Sie war schon früher an dem Punkt angekommen, an dem sie „den Oberen der Kirche nicht mehr zutraute, sich zu bewegen“: „Sie haben Chancen genug dafür gehabt.“ Auch von Papst Franziskus ist sie enttäuscht, dem sie zu Beginn seiner Amtszeit noch Veränderungen zugetraut hatte. „Wenn selbst er es nicht schafft, die Lebenssituation aller Menschen ernst zu nehmen, wer dann?“

 

Sie will Zeichen setzen

 

Ihren Austritt sieht sie als Protest. Nicht gegen die vielen „guten Seelsorger und Engagierten“ in allen Bereichen der Kirche. Nicht gegen die „ungezählten menschennahen und helfenden Dinge, die überall auf der Welt im Namen Jesu geschehen“.

Darin will sie beheimatet bleiben. Deshalb wird sie weiter zur Kirche gehen. Damit will sie ihr Leben weiter gestalten. Gegen die fehlende Beweglichkeit auf den oberen Ebenen aber will sie protestieren, „ein Zeichen setzen“. „Denn wir brauchen möglichst viel Menschen, die den Glauben weiter leben, ihre Kritik aber so deutlich zeigen.“

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