Erste Weihnachtskollekte für Lateinamerika wurde 1961 gesammelt

Adveniat wird 60 und sieht drei Herausforderungen für die Zukunft

  • Das deutsche katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat wird 60 Jahre alt.
  • Es hat seit 1961 mit mehr als 2,5 Milliarden Euro geholfen.
  • Ein Blick zurück und auf die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft.

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"Ein halber Kontinent vertraut auf dich". Mit diesem Slogan warben vor 60 Jahren die katholischen Bischöfe in Deutschland erstmals um Spenden "für die seelsorglichen Bedürfnisse in Lateinamerika": für Länder, die seinerzeit mit unbeschreiblicher Armut, Hunger, Krankheiten und Bildungselend zu kämpfen hatten. Seit der ersten Sonderkollekte zu Weihnachten 1961 liefen bei Adveniat in Essen bislang mehr als 2,5 Milliarden Euro für Lateinamerika zusammen. Eine Erfolgsgeschichte gelebter Solidarität.

Die Wurzeln der Bischöflichen Aktion liegen in Köln. Der damalige Kardinal Josef Frings hielt im Herbst 1960 als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz eine Rede über die Nöte der Kirche in Lateinamerika. Daraus erwuchs für 1961 eine zunächst einmalig geplante Weihnachtskollekte, aus der das Lateinamerika-Hilfswerk und seine jährliche Weihnachtsaktion entstanden. Da es hinter den Kulissen Sorge über ein zu großes kirchenpolitisches und finanzielles Gewicht Kölns gab, siedelte man die neue Aktion im 1958 neu gegründeten Ruhrbistum Essen an.

 

Begegnung und Hilfe

 

Die Projektanträge gingen zunächst alle über den Tisch des Essener Generalvikars, der mit der Materie naturgemäß nicht unbedingt vertraut war. Über ein Sekretariat im klassischen Sinn entwickelte sich mit den Jahren eine "Adveniat-Geschäftsstelle".

Zuweilen wurde das Hilfswerk als bloßer "Kanal" beschrieben, der die Großherzigkeit der Menschen in Deutschland nach Lateinamerika bringe. Das klingt sehr technisch. Tatsächlich stehen dahinter sehr viel Menschlichkeit und Begegnung.

 

Die Rolle der Befreiungstheologie

 

Hochrangige wie weniger hochrangige Kirchenvertreter aus Lateinamerika sind häufig in Essen zu Gast. Und wenn man in Guatemala oder Paraguay eine Armenhütte betritt, ist der Name Adveniat häufig bekannt. Abgeleitet ist er vom lateinischen "Adveniat regnum tuum" ("Dein Reich komme") - ein Motto, dem sich das Hilfswerk bis heute verpflichtet fühlt.

Ein ebenso zentrales wie heikles Kapitel in 60 Jahren Adveniat war die sogenannte Theologie der Befreiung. In den 1970er und 80er Jahren, als marxistische und sozialistische Elemente einer "linken Theologie" das Verhältnis zwischen lateinamerikanischen Ortskirchen und dem Vatikan trübten und für massiven Gegenwind aus Rom sorgten, war auch der Essener "Adveniat-Bischof" und spätere Kardinal Franz Hengsbach zunächst durchaus kritisch.

 

Grundsätze des Hilfswerks

 

Viele sogenannte Basisgemeinden, auch und vor allem in Brasilien, wurden auf vatikanisches Geheiß in Lateinamerika ausgeschaltet. Viele Bischöfe fühlten sich damals auch von der Forderung der Laien nach Mitsprache bedroht und brachten sie zum Schweigen.

Den theologischen Kern der Befreiungstheologie, die "vorrangige Option für die Armen" und ihren Grundsatz "sehen - urteilen - handeln", hat sich die Kirchenleitung, auch in Rom, dennoch sehr wohl zu eigen gemacht. Für Adveniat sind diese Grundsätze wichtige Pfeiler der Arbeit.

 

Wie Adveniat hilft

 

Unterstützt durch Spenden aus Deutschland, setzt sich die Kirche Lateinamerikas auf vielen Ebenen für die Rechte der Benachteiligten ein. Adveniat hilft vor allem in der Seelsorge: etwa beim Gemeindeleben, beim Kirchbau, in der Priesterausbildung - oder den Seelsorgern selbst, auch Laien. Ein entscheidendes Kriterium zur Förderung sei, so Adveniat, ob sie den Armen zugutekommt.

In 60 Jahren habe sich zwar vieles entwickelt. Doch gerade beim Thema Armut finden Adveniat-Mitarbeiter bei Besuchen eine oft sogar noch verschärfte Situation vor. Vor allem in den Schwellenländern gibt es regelrechte Parallelgesellschaften.

 

Corona und weitere Herausforderungen

 

Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen hat solche Phänomene noch verstärkt. Angesichts dieser wachsenden Schere zwischen Arm und Reich drängt sich die Frage der Gerechtigkeit auf.

Drei große Herausforderungen macht Adveniat als entscheidend für die Zukunft aus: erstens die Armutsbekämpfung, zweitens die Frage der Bildung als Schlüssel für soziale Entwicklung, drittens die Herausforderung durch die sogenannten Pfingstkirchen - jene Gruppierungen, Gemeinden und Sekten, die plakativ ein besseres Leben versprechen und der katholischen Kirche auf dem "katholischsten Kontinent" zunehmend "Marktanteile" abringen.

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