Pater Daniel Hörnemann: Ein Heiland in Wort und Tat

Auslegung der Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr A

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Eine gewisse Spannung liegt zwischen Himmelfahrt und Pfingsten in der Luft. Eine große Frage ist, was die Jünger nach der Auferstehung erwarten wird, erklärt Pater Daniel Hörnemann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Noch heute heißt der Sonntag vor Pfingsten in den evangelischen Kirchen „Exaudi-Sonntag“, mit Bezug auf den alten Eingangsgesang der Messe. Am Beginn der Feier stehen nicht Osterjubel und Gotteslob, was man eigentlich in der Osterzeit erwarten würde. Hier ertönt kein Halleluja, sondern der laute Ruf nach Gott, dessen Antlitz verborgen und dessen Gegenwart entzogen ist.

Auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu mussten diese Spannung aushalten zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Da war die Freude über den Auferstandenen, zugleich jedoch der Abschiedsschmerz und die Ungewissheit der Zukunft. Wir könnten den siebten Oster­sonntag „Sonntag des Gebets“ nennen. Das längste in den Evangelien aufgeschriebene Gebet Jesu wird uns heute auf den Weg mitgegeben, der zum Ziel der Osterzeit führt, dem Pfingstfest. Der reformierte Theologe David Chyträus nannte es im 16. Jahrhundert erstmals „Hohepriesterliches Gebet“, wobei nur beiläufig Erwähnung findet, dass Jesus sich durch seinen Opfertod heiligt für die Seinen. 

Ein Gebet des Abschieds

Die Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Vor allem ist es sein Abschiedsgebet, darin gipfeln die Abschiedsreden. Hier fasst er sein gesamtes Wirken in einem Satz zusammen: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast“ (Joh 17,6). Der Name ist von hoher Bedeutung, darin wird das Wesen Gottes angesprochen, seine Nähe und Treue zum Menschen. Jesus wirkte zeitlebens in Wort und Tat als der, von dem sein Name kündet: „Heiland“. Er will die Seinen dort in seiner Nähe wissen, wo er selbst ruht, am Herzen des Vaters, und sie mit einweihen in das Geheimnis Gottes. Die unüberwindlich geglaubte Kluft zwischen Welt und Gott wird hier überwunden.

Eine niederländische Redensart besagt „Leven is weven en sterven is bij God zijn stuk ingeven“ = „Leben heißt Weben und Sterben heißt, sein Werkstück bei Gott abzugeben“. Die Zeit zu „weben“ war für Jesus sehr kurz. Sein Leben wurde schlagartig durch den Tod am Kreuz beendet. Hätte er länger zu leben gehabt, dann hätte er selbst seine Botschaft innerhalb und außerhalb Israels an mehr Menschen weiterverkünden können. So blieb es Aufgabe eines kleinen Kreises von Jüngerinnen und Jüngern, seine Worte weiterzutragen in die Welt. 

Wie wollen wir verkündigen?

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann.
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von „Kirche+Leben“. | Foto: Markus Nolte

In seinem Abschiedsgebet an seinen Vater bezieht Jesus seine Jünger in sein Lebensprojekt ein. Er dankt dem Vater, weil sie den Namen des Vaters bekannt gemacht haben. Er bittet darum, dass sie ihn weiter bezeugen. Fraglich ist, in welchem Umfang wir heute es wagen, allein oder mit anderen zusammen „Verkündigung“ zu betreiben, dass wir wirklich an ein Leben in Fülle glauben und an den Geber dieses Lebens, den einen wahren Gott, und seinen Sohn Jesus, den er in die Welt gesandt hat.

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten schließen wir uns der betenden Urgemeinde an. Am Exaudi-Sonntag, den man auch als „Adventssonntag vor Pfingsten“ bezeichnen könnte, erwarten wir den Verborgenen, der stets aufs Neue kommt und uns aus dem „Schlaf der Sicherheit“ wecken will (GL 481).

Bereit für den Beginn einer neuen Zeit

Das alte Kirchenlied „Sonne der Gerechtigkeit“ ist ein inniger Weckruf. Gott soll endlich wirken: in uns selbst, in der Welt und in der Kirche, „dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt.“ Zugleich soll er unsere Stimmen hören, wie es das „Exaudi“ des Psalms 27 sehnsüchtig verlangt: „Vernimm, o Herr, mein lautes Rufen; sei mir gnädig und erhöre mich!“

Die Apostel kehren nach Jesu Himmelfahrt an den Ort des Abendmahlsgeschehens und seiner Abschiedsworte zurück und verharren dort einmütig im Gebet. Sie befinden sich in der Übergangszeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten an einem Ort der Sammlung. Sie sind bereit für die Stunde der Erfüllung mit Gottes Geist, für den Beginn einer neuen Zeit. 

Im Haus des Herrn

Diese Männer und Frauen haben sich nicht wieder in alle Winde zerstreut wie nach der Kreuzigung Jesu, sondern sind im Obergemach in Jerusalem, gewissermaßen im „Haus des Herrn“, in dieser „Zwischenzeit“ betend versammelt und warten auf das Kommen des Geistes (Apg 1). Das gemeinsame Gebet sollte ihnen auch Kraft geben, künftige Leiden und Krisen im Namen Christi zu anzunehmen und durchzutragen (vgl. 1 Petr 4,13–16). Jesus hat mit offenen Karten gespielt und den Seinen Bedrängnis und Leid nicht verheimlicht, den Preis der Nachfolge Christi. Der Lohn ist die Gotteserkenntnis und das bleibende Leben bei ihm.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 7. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr A) finden Sie hier.

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