Religionssoziologe Pickel: Konfessionen nicht mehr gleichauf

Austritts-Tempo bei Katholiken erhöht sich

  • Die Austritts-Geschwindigkeit in der katholischen Kirche erhöht sich schneller als die in der evangelischen Kirche.
  • Das Tempo erreiche eine „neue Stufe“, sagt der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel.
  • Die katholische Kirche verliere jetzt aus die Mitglieder, die eigentlich ihre wichtige Substanz waren.

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Der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel sieht eine deutliche Beschleunigung bei den Austritten aus der katholischen Kirche. Lange hätten Protestanten und Katholiken bei den Kirchenaustritten in einem Boot gesessen, sagte er im Interview des Portals katholisch.de (Samstag). "Das ist dieses Mal anders: Wir haben dieses Mal einen deutlichen Überhang an Austritten aus der katholischen Kirche."

Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Statistik verließen im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Menschen die katholische Kirche in Deutschland - zum zweiten Mal in Folge ein Höchststand an Austritten. Der evangelischen Kirche kehrten im selben Zeitraum rund 380.000 Menschen den Rücken.

Substanz der Kirche geht verloren

Pickel geht davon aus, dass für den beschleunigten Austritt bei den Katholiken der Umgang mit dem Missbrauchsskandal eine Rolle spiele. Zudem vermute er, dass dies eine Reaktion auf den von Rom blockierten Reformprozess Synodaler Weg sei. Wenn jetzt sogar religiöse Personen sich in der katholischen Kirche nicht mehr am richtigen Platz fühlten, "dann erreicht das eine neue Stufe". Das bedeute nämlich, dass die Kirche jetzt auch jene Mitglieder verliere, die die Substanz der katholischen Kirche gewesen seien. "Und das ist tatsächlich ein Unterschied."

Auf der ganz praktischen Ebene bedeute das, dass Ehrenamtliche in den Gemeinden jetzt weniger werden und sich für die Kirche von morgen ein strukturelles Problem ergebe, so der Soziologe. "Das sollte den Verantwortlichen schon Sorgen machen - außer natürlich, man sagt, dass einem eine kleine Schar von Gläubigen reicht."

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