Das Thema: Dem Glauben verbunden - trotz Kirchenaustritts (1) - aus Münster

Monika Schürmann kehrt der Kirche den Rücken, nicht aber dem Glauben

Anzeige

Die nackten Zahlen erschrecken. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, das werden die offiziellen Zahlen zeigen, die in dieser Woche veröffentlicht werden. Aber hinter diesen Zahlen stecken einzelne Menschen. Die sich ihren Schritt oft gut überlegt haben. Vor allem, wenn sie eine Heimat in der Kirche hatten. Kirche-und-Leben.de lässt ausgetretene Menschen zu Wort kommen und stellt ein Projekt vor, mit dem die Abtei Gerleve auf sie zugeht. Heute: Monika Schürmann, die mit 57 Jahren ausgetreten ist, ohne den Glauben hinter sich zu lassen.

Letztlich war sie nur konsequent, sagt Monika Schürmann. Wenngleich die Entscheidung, aus der katholischen Kirche auszutreten, längst kein Schnellschuss war. „Ich habe schon einige Zeit damit gerungen“, sagt die 57-Jährige aus Münster-Handorf. Am Ende sei es vor allem ein Entschluss gewesen, um authentisch zu bleiben. „Um morgens noch in den Spiegel schauen zu können.“

Schürmann ist alles andere als eine Christin, deren Konfession nur auf dem Steuerbescheid sichtbar wird. „Ich bin auf einem Bauernhof bei Recklinghausen groß geworden – die Kirche war fester Bestandteil unseres Alltags.“ Sie war dort eine der ersten Messdienerinnen, feierte die Feste in der Pfarrgemeinde und fuhr mit den Jugendgruppen in die Ferienlager.

Begeistert vom Gemeindeleben

Dieser Bezug zur Pfarrgemeinde änderte sich auch nicht, als sie vor 19 Jahren mit ihrem Mann nach Handorf zog. „Allein über meine vier Kinder blieb der Kontakt zur Kirche eng.“ Sie war Erstkommunion-Katechetin, Lektorin und bei vielen Angeboten und Veranstaltungen ehrenamtlich im Einsatz. Immer, „wenn ein Kuchen gebacken oder Tische geräumt werden mussten.“ Mit Begeisterung erinnert sie sich an die gemeinsame Fahrt einiger Gemeindegruppen nach Assisi. „Ein wunderbares Erlebnis.“

Es ist herauszuhören, wie viel ihr das alles bedeutet. In einem Satz verdichtet Schürmann das: „Es sind viele Freundschaften entstanden, die heute noch Bestand haben.“ Wie aber konnte es dann so weit kommen, dass sie im September 2022 zum Amtsgericht in Münster ging und die Dokumente für ihren Austritt ausfüllte? „Ich bin ja nur aus der Kirche ausgetreten, nicht aus meinem Glauben und der Gemeinschaft, die entstanden ist.“

Bewusste Trennung von Kirche und Glauben

Sie trennt das bewusst. Hier die aktuelle kirchenpolitische Entwicklung, dort der religiöse Hintergrund, den sie mit ihrem Austritt nicht hinter sich gelassen hat. „Diese Trennung war kein einfacher Schritt, aber notwendig.“ Er wird nachvollziehbar, wenn sie ihn erklärt: „Es waren sicher einige Gründe, die zusammenkamen.“ Schürmann nennt den Umgang mit Macht, mit Homosexualität oder die eingeschränkten Möglichkeiten der Frauen in der Kirche. Letztlich ausschlaggebend, diesen Auseinandersetzungen mit ihrem Austritt Ausdruck zu verleihen, war die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Bistum Münster vor einem Jahr. „Ich habe mir die einzelnen Geschichten durchgelesen und war erschüttert.“ Zu viel Grausamkeit, zu viel Vertuschung, zu viel Leid. „Mein Austritt war damit unvermeidlich.“ Eben konsequent.

Genauso konsequent wie ihr Standpunkt, ihren christlichen Hintergrund damit nicht zu verlassen. „Ich gehe immer noch in Kirchen und zünde Kerzen für meine Lieben an – ich gehe immer noch in Gottesdienste – ich gehe an Allerheiligen immer noch auf den Friedhof.“ Die Tür zum Glaubensleben hat sie mit ihrem Austritt nicht zugeschlagen. Und sie findet sie weiterhin geöffnet vor. Kurz nach ihrem bürokratischen Schritt bekam sie Post vom Pfarrer von St. Petronilla in Handorf, Jürgen Streuer. Sie werde auch künftig keine verschlossenen Türen vorfinden, schrieb er. „Das tat gut, aber genauso habe ich das kirchliche Leben hier vor Ort immer erlebt“, sagt sie. „Ich habe ihm einen langen Brief zurückgeschrieben und ihm die Hintergründe meines Austritts erklärt.“

Das Wichtigste bleibt die Nächstenliebe

Sie wird ihren Glauben weiter leben, nur auf anderen Wegen. „Die zentrale Herausforderung an uns Christen ist doch der Einsatz für andere.“ Der wird bei ihr so intensiv bleiben, wie er zuvor schon war. Sie engagiert sich ehrenamtlich für Umwelt-Initiativen, setzt sich für Transportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung in Handorf ein, hat sich zur Klima-Schutz-Managerin der Stadt Münster ausbilden lassen. „Da kann ich das einbringen, was mir von Kindheit an im Glauben vermittelt wurde – Nächstenliebe und der Dienst für andere.“

Die Kirchensteuer, die sie einspart, wird sie künftig an karitative und soziale Projekte spenden. „Auch kirchliche Angebote können das sein“, sagt Schürmann. Ganz konsequent: „Für die Sache, nicht für die Institution.“

Anzeige