Wenn die Bindung schon nach der Erstkommunion nachlässt

Ein junger Mann verlässt die Kirche: Habe mich nie mit Glauben befasst

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Die nackten Zahlen erschrecken: Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, das zeigen die offiziellen Zahlen, die in dieser Woche veröffentlicht worden sind. Hinter diesen Zahlen stecken einzelne Menschen. Die sich ihren Schritt oft gut überlegt haben. Kirche-und-Leben.de lässt ausgetretene Menschen zu Wort kommen. Heute: Frederic Janssen, ein junger Mann vom Niederrhein.

Wie Frederic Janssen aus Grieth, einer Ortschaft bei Kalkar am Niederrhein, machen es offenbar viele junge Menschen: Der 23-jährige Bankkaufmann ist im Dezember 2021 nach längerem Nachdenken und einer zweimonatigen Wartezeit auf den Amtsgerichtstermin aus der katholischen Kirche ausgetreten. 

Anlass waren für ihn die zögerliche Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe in der Kirche und die eigene Erfahrung, dass er, der in homosexueller Partnerschaft lebt, von der Kirche nicht gewollt sei. 

Schon als Teenager ließ die Bindung nach

Frederic Janssens Pfarrei-Verbundenheit war nie besonders eng. Bis zur Erstkommunion ist er zwar recht regelmäßig in die Sonntagsmesse gegangen. Auch wenn er anschließend kein Messdiener wurde, ist er später beim Krippenspiel des Dorfes dennoch als Akteur eingesprungen, weil er nicht wollte, dass die Aufführung platzt. 

„Ich hatte aber einfach keine Veranlassung, mich intensiver mit dem Glauben zu befassen“, sagt Janssen heute. Dafür habe er weder von den Eltern noch in der katholischen Gemeinde seines Dorfes Anreize bekommen. Wie weit das Christentum das gesellschaftliche Leben in Westeuropa geprägt und sozialer gemacht hat, darüber habe er nie nachgedacht. 

Er respektiert den Glauben, aber teilt ihn nicht

Den Gottesdienst besuchte er später nur noch als Vorstandsmitglied seines katholischen Schützenvereins: „Die Sprache der Lieder, Gebete, der Predigt – ich stehe nicht dazu.“

Dass Gott diese Gebete erhören könnte, daran glaubt Frederic Janssen nicht. Verbundenheit und Trost, wie sie eine Glaubensgemeinschaft geben kann, hat er nie erlebt – er sucht das lieber bei Freunden. Dennoch respektiert Janssen die religiöse Verbundenheit und den Glauben seiner Oma, während seine Eltern längst ebenfalls die Kirche verlassen haben.

Keine Erwartung an die Kirche

Es sei ihm nicht unbedingt um die 30, 40 Euro Kirchensteuer gegangen, die er von seinem ersten regulären Gehalt abgeben sollte, sagt der 23-Jährige. Das Geld könne er auch einem anderen guten Zweck zuführen.

Aber von der Kirche und ihren Riten erwartet er nichts: Seinen Partner werde er nicht kirchlich heiraten können, Kindertaufen sind in seinem Leben nicht vorgesehen, aufgrund seiner Homosexualität sei noch nicht einmal mit einem Segen der Kirche zu rechnen.

Glaubt er dennoch an etwas? „Ja“, sagt Janssen. „Ich glaube, dass das Leben im Himmel weitergeht.“

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