Seit 23 Jahren wirkt der Sendenhorster in einem islamischen Land

Bischof Happe ist ein Mauretanien-Missionar unter Muslimen

Bischof Martin Happe stammt aus Sendenhorst und ist seit 1995 in Mauretanien. Während eines Besuchs bei „Kirche+Leben“ berichtete der 72-Jährige über die Situation der Kirche in dem islamischen Land.

 

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Wenn Sie von Mauretanien noch nicht viel gehört haben, dann ist das ein gutes Zeichen“, sagt Martin Happe beim Redaktionsbesuch von „Kirche+Leben“.  Der aus Sendenhorst  bei Münster stammende Bischof von  Nouakchott spielt auf das  Nachbarland Mali an.

Das sei wegen seiner islamistischen Konflikte im Norden häufig in den Medien. Dabei ist Mauretanien selbst eine islamische Republik. „Hier ist es aber noch ruhig“, erklärt der Bischof. Wie lange noch? Auf diese Frage wird er später mit Sorge zurückkommen.

 

Mauretanien liegt im Nord-Westen Afrikas

 

Das Flächenland mit seinen 1,37 Millionen Quadratkilometern besteht weitgehend aus Wüste und ist dreimal so groß wie Deutschland, erklärt der Bischof. Als Tuaregs und Islamisten vor wenigen Jahren im Norden des Nachbarlands Mali wüteten, habe Mauretanien 160 000 Flüchtlinge aufgenommen. „Augenblicklich haben wir noch 45 000 von ihnen im Land.“ Mauretanien sei kein Ausgangsland, sehr wohl aber ein Durchgangsland für die Fluchtbewegungen Richtung Europa. Wie lange noch? Das ist fraglich, sorgt sich der Bischof.

Martin Happe, schwarze Hose, blau-grau kariertes Hemd, schlichtes Holzkreuz auf der Brust, stellt sich humorvoll-geduldig den Fragen und würzt seine Antworten mit Anekdoten. 4.000 bis 5.000 Katholiken gehören zu seiner Diözese, berichtet er. Sie konzentrierten sich auf zwei Regionen: die Hauptstadt Nouakchott und die Hafenstadt Nouadhibou.

 

Zwölf Priester für das ganze Land

 

Zwölf Priester – „so viele wie auch Jesus um sich hatte“ – und 25 Ordensschwestern sind nach seinen Worten im Einsatz. „Alles Nicht-Mauretanier.“ Wie auch die Katholiken im Land, in dem er seit 1995 als Bischof tätig ist, Nicht-Mauretanier sind. „Sie kommen aus Togo, Senegal,  Ghana, der Elfenbeinküste. Es sind Arbeitsmigranten aus afrikanischen Ländern, Franzosen und andere Europäer.  Zwei Inder aus Goa arbeiten bei uns als Priester.“

Mauretanien wurde im zwölften und 13. Jahrhundert islamisiert. Mit der Kolonisierung sei Nouakchott eine französische Spiritaner-Mission geworden, sagt Happe, der Ordensmann der Weißen Väter ist. „Als ich vor 23 Jahren als Bischof dorthin kam, war ich der Jüngste.“ Alle kamen von auswärts. Inzwischen seien drei Priester im Bistum selbst inkardiniert worden. Geht das überhaupt – Mission in einem mehrheitlich von sunnitischen Muslimen bewohnten Staat? „Zu Ostern haben wir jedesmal 15 bis 25 Erwachsenentaufen“, erklärt der 72-Jährige. In Nouakchott kämen bis zu 400 Gläubige in die Sonntagsgottesdienste. „An Festtagen auch mal 700.“

Lange vor der Messe, sagt er, sind schon 30 bis 40 Kinder da. „Sie spielen, und die Schwestern erklären ihnen das Evangelium. In der Hafenstadt Nouadhibou seien es weniger Katholiken – „ungefähr 200“. Aber die Frage nach der Mission hat ihm auch schon Papst Benedikt gestellt, als er, Happe, ihn kurz nach seinem Amtsantritt in Rom zum Ad-Limina-Besuch getroffen hat. „Was machen Sie denn da?“, habe Benedikt ihn gefragt, und er habe vorsichtig interveniert: „Heiliger Vater, bitte stellen Sie die Frage anders. Was ist Ihre Mission dort?“

 

Folgen des Klimawandels

 

Das habe Benedikt dann auch getan. „Wir wollen ein Beweis für Jesu Liebe sein. Das ist meines Erachtens die Aufgabe der Kirche“, war die Antwort. Liebe, davon ist Happe überzeugt, hat etwas mit Caritas zu tun, mit der Sorge und Unterstützung von Menschen in Not. „1985 hatten wir in Mauretanien 83 Prozent viehzüchtende Nomaden – heute sind es nur noch drei Prozent.“ Viele lebten nach der Dürre seit Anfang der Siebzigerjahre in Elendsvierteln. Für diese Menschen ist der Klimawandel längst bittere Realität geworden.

„Was wir tun, ist vielfältig“, sagt der Bischof. Die katholische Kirche bietet Kindergärten, Schulbüchereien, EDV-Kurse an. „Wir haben 110 Angestellte bei der Caritas. Fünf davon sind Katholiken.“ Der Bischof holt zu einer Erklärung aus: „Die Muslime haben verschrobene Ideen über uns Christen, und die Christen haben verschrobene Ideen über Muslime. Da hilft nur eines: aufeinander zugehen.“

 

Bildungsarbeit ist ihm wichtig

 

Genau das leiste die Caritas. „Die Büchereien bieten Raum dafür, dass Kinder dort ihre Schularbeiten machen. Das zieht die Jugend an. Beim natürlichen Kontakt miteinander fallen die Vorurteile“, sagt der Bischof.

Karte Mauretanien.

Vor 18 Jahren hat er begonnen, Ausbildungsräume für die Menschen zu schaffen. Sie können Sprachen lernen, bekommen eine Rechtberatung, Frauen können nähen oder Tücher färben, andere den Hotel- und Friseurberuf lernen. Mit Hilfe von Caritas Frankreich und Spanien und Misereor Deutschland würden jedes Jahr bis zu 500 Menschen ausgebildet.

Der Bischof will damit Vertrauen schaffen. Das ist für Happe umso wichtiger, da viele Muslime im Land nach seiner Beobachtung Angst vor den politischen und sozialen Entwicklungen haben. „Auch bei uns sind die Wahabiten und Salafisten aus Saudi-Arabien aktiv.“ Die vom Sufismus geprägten, moderaten Mauretanier hätten vor ihnen Angst. Sie fürchteten, es  werde sie in 20 oder 30 Jahren nicht mehr geben. „Wir Christen müssen mit diesen Leuten an einem Strang ziehen.“ Das geschieht für Happe auch durch die Begegnungsstätten in den katholischen Büchereien.

 

Islamismus ist auf dem Vormarsch

 

Mauretanien besitzt Eisenerz, Erdgas, Kupfer, Gold. Die Küsten sind fischreich. „Die Menschen in Mauretanien haben dennoch wenig Beschäftigung“, sagt Happe. In diese Lücke hinein stießen Saudi-Arabien und Katar. „Sie bilden so genannte rechtgläubige Imame aus. An wichtigen Straßen stehen inzwischen gut sichtbar neue Moscheen“, berichtet er. „Diese Leute werden von Saudi-Arabien bezahlt. Sie fahren mit großen Autos, während wir Christen mit unseren einfachen Buschtaxis unterwegs sind.“

Da hilft nach seiner Überzeugung nur Aufklärung und karitatives Engagement. Nicht zuletzt deswegen habe die katholische Kirche in Mauretanien einen guten Ruf. In den Zentren gehe es auch darum, Laien zu motivieren, in diesen Sinne missionarisch zu wirken: „Die Liebe Gottes für alle ist Ziel der Mission.“

 

Happe erlebt viel Respekt

 

Er sei einmal mit einem muslimischen Vater dazu ins Gespräch gekommen. Der Mann habe befürchtet, der Bischof könne wegen seines Einsatzes für Muslime eines Tages in der Hölle schmoren. Diesen Mann habe er beruhigt: „Ich will dich nicht über deine Religion bekehren. Aber wenn Gott in der Bibel für Liebe steht und im Koran der Allbarmherzige ist, habe ich wohl nichts zu befürchten.“

Ein andermal war er mit einem Bischof aus Burkina Faso unterwegs. „Er im Ornat, ich wie üblich im Räuberzivil“, berichtet Happe. Die beiden gerieten in eine Fahrzeugkontrolle. Ein Offizier habe ihnen gesagt: „Wir respektieren Sie.“ Solange gegenseitiger Respekt da ist, könne man hoffen.

 

Blick in die deutsche Heimat

 

Wie sieht der Bischof die Situation in Deutschland? Hierzulande fürchten viele Menschen die „Islamisierung des Abendlandes“. Happe wird vorsichtig. Seit 1968, seitdem er als Weißer Vater im Missionsdienst ist, war er in Deutschland immer nur zu Besuch. „Das Problem in Deutschland sind aber wohl nicht die Muslime. Die Christen zeigen ihren Glauben nicht mehr. Das ist ein physikalisches Gesetz, dass sich ein Vakuum immer auffüllt“, meint Happe.

Er geht davon aus, dass der Islam mit dem demografischen Wandel kommt. Muslime hätten viele Kinder. „Das wird sich kaum vermeiden lassen“, gibt er zu bedenken.

Hat der Bischof nicht auch selbst Angst vorm Vormarsch der Wahabiten in Mauretanien? Wieder erzählt Happe dazu eine Geschichte: Vor ein paar Jahren bestellte ihn der deutsche Botschafter in seine Vertretung ein. „Er wollte, dass ich ein gepanzertes Auto fahre und einen Pieper am Gürtel trage, wenn ich im Inneren des Landes unterwegs bin.“ Happe lehnte den Vorschlag ab. „Ich lebe in einem einfachen Wohnhaus in einem nicht gerade prominenten Viertel“, erklärt er. „Wie wirkt denn das, wenn ich ein gepanzertes Fahrzeug vor der Tür habe und Nato-Draht auf der Mauer?“

In zwei Jahren wird der fast 73-Jährige die übliche Bitte eines Bischofs um Emeritierung nach Rom senden. Was dann, wenn der Papst ihn in den Ruhestand schickt? „Zurzeit bin ich dabei, die finanzielle Situation für meinen Nachfolger zu regeln. Wir bauen ein Wohnhaus mit zehn Luxus-Wohnungen im Senegal, die wir dann vermieten wollen.“ Das Bistum Münster und das Erzbistum Köln unterstützen ihn dabei als Sponsoren. Ansonsten wird er in ein Haus seiner Ordensgemeinschaft, der Weißen Väter, gehen. Dass er gerade diesem Orden angehört, ist allerdings reiner Zufall.

 

130.000 durchgefüttert

 

„Als kleiner Junge habe ich alles Religiöse gelesen, was mir in die Finger kam.“ Unter anderem die „Stadt Gottes“ der Steyler Missionare. Daher  wollte er Missionar werden. Seine Mutter, schildert Happe, sperrte sich ein Jahr dagegen – dann schickte sie ihn zum Pfarrer in Sendenhorst. Der meldete ihn als Sextaner nicht bei den Steyler oder den Hiltruper Missionaren im nahen Münster an, sondern schickte ihn zum Progymnasium der Weißen Väter nach Rietberg. 1966 machte er Abitur und trat danach das Noviziat in Frankreich an.

22 Jahre war er im Bistum Mopti in Mali tätig – 1995 wurde er dann zum Bischof nach Mauretanien berufen. Bereut hat er die Zufalls-Entscheidung für die Weißen Väter nie.  „Ab dem Noviziat sind wir international.“ Das lehre einem früh die Offenheit und den Respekt vor der anderen Lebensart und Kultur der Mitbrüder.

 

Er spricht immer noch Plattdeutsch

 

Gern kommt er zu Besuch in seine münsterländische Heimat. Ein Bruder lebt noch in Sendenhorst, verteilt in Deutschland hat er drei weitere Geschwister, dazu Neffen und Nichten. Das Plattdeutsch hat Happe auch nicht vergessen. Was ihm auffällt, ist die wachsende kirchliche Resignation in Deutschland. „Wir haben nur noch .., wir sind nur noch ...“. Diese Sicht aus dem Defizit heraus findet er falsch.

„Die Volkskirche wird nicht wiederkommen“, mahnt er. In Afrika habe er gelernt, wie viel sich mit wenigen Engagierten erreichen lässt. „Christ ist man nicht allein. Christ ist man in der Gemeinschaft“, sagt Happe. Deswegen wolle er auch nicht Kreisdechant im Münsterland werden, reagiert er schmunzelnd auf die provokante Frage eines Redakteurs. „Ich glaube daran, was ich mache: In einem nicht-christlichen Land den Glauben zu zeigen, führt zur Bekehrung. Keine Bekehrung im Sinn der Taufe, sondern eine, in der die Menschen neue Aspekte ihres eigenen Glaubens entdecken.“

Bischof Happe ist gern Missionar, das spüren die Zuhörer. Als er 1983 als Pfarrer in Gao in Mali arbeitete, habe es eine Hungersnot gegeben. „Wir haben 130.000 Leute durchgefüttert.“ Ein deutscher Reporter habe ihm damals gesagt. „Das würde ich für kein Geld der Welt machen.“ – „Ich auch nicht“, antwortete Happe dem Journalisten. „Geld hält nur für ein paar Tage vor, Idealismus für ein paar Wochen. Ich mache es aus Berufung. Die hält ein Leben lang.“

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