Anzeige
Noch nie gab es im Bistum Münster so viele Kirchenaustritte wie im vergangenen Jahr. Annette Saal, Chefredakteurin print von "Kirche+Leben", plädiert trotz der schockierenden Zahlen für eine realistische Sicht der Dinge.
Noch nie gab es im Bistum Münster so viele Kirchenaustritte wie im vergangenen Jahr. Annette Saal, Chefredakteurin print von "Kirche+Leben", plädiert trotz der schockierenden Zahlen für eine realistische Sicht der Dinge.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Nie sind im Bistum Münster so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie 2019. Die Statistik löst Erklärungsversuche aus. Bischof Felix Genn vermutet als wichtigen Grund das Bekanntwerden von Fällen sexuellen Missbrauchs und den Umgang damit – vor allem mit den verletzten Personen – von Seiten der kirchlichen Verantwortungsträger. Die Diskussionen um innerkirchliche Reformfragen tun ein Übriges. Viele Menschen bezweifeln, dass der Synodale Weg greifbare Ergebnisse bringt.
Hinter den Zahlen steht die unmissverständliche Botschaft: Wir meinen, dass wir euch, die Kirche, nicht mehr brauchen. Das ist hart und macht traurig, denn Kirche braucht Gemeinschaft.
Der Trend wird sich fortsetzen
Doch alles Jammern über die gottlose Welt nützt nichts. Der Trend, dass sich die Volkskirche verabschiedet, wird sich fortsetzen. Zweifellos funktionierte in früheren Jahrzehnten die Gemeinschaft zum Teil über die soziale Kontrolle. Doch die Kirche vermittelte auch Geborgenheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. War das damals schön, als die Bannerabordnungen noch in großer Formation einzogen, als das vollbesetzte Haus voll Glorie von den Stimmen Hunderter erfüllt war!
Doch ist die Kirche nicht manchmal auch der Versuchung erlegen, sich selbst zu genügen und sich unanfechtbar zu fühlen? Vermutlich werden wir auch weniger, weil sich die Menschen nichts mehr sagen lassen wollen. Auch wenn sich inzwischen in der Kirche vieles geändert hat, sind Nachwirkungen noch spürbar.
Kein Rückzug ins Schneckenhaus
Fatal wäre es jedoch, zu resignieren und – umgeben von einer bösen Welt – zu retten, was noch zu retten ist. Ein Rückzug ins Schneckenhaus würde auch dem Anliegen von Kirche nicht gerecht, mit Begeisterung die frohe Botschaft zu verkünden.
Im Rahmen dessen, was möglich ist, muss Kirche präsent bleiben und sich in Gesellschaft und Politik bemerkbar machen. Denn Christen können selbstbewusst sein, weil sie die beste aller Botschaften zu verkünden haben.