Flüchtlingsbeauftragte Stefanie Tegeler zu Plänen der Bundesregierung

Caritas: Kürzungen bedrohen 80 Stellen in Migrationsberatung in NRW

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Laut Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 soll der Etat für Migrationsberatung von 81 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro gekürzt werden. Was das bedeutet, erläutert Stefanie Tegeler. Sie ist Referentin beim Diözesan-Caritasverband und zugleich Flüchtlingsbeauftragte im Bistum Münster.

Frau Tegeler, ab Dienstag, 5. September, berät der Bundestag den Bundeshaushalt 2024. Bei der Migrationsberatung steht eine Kürzung um rund ein Drittel im Raum. Welche Folgen hätte sie?

Dann wäre die Migrationsberatung in heutiger Form nicht mehr zu leisten. In 172 Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gibt es 350 Beratungsstellen der Caritas und anderer Träger, die 2022 in 70.000 Fällen beraten haben. Bundesweit sind 1.285 Beratungsstellen potenziell betroffen. Schon jetzt ist die Migrationsberatung nicht auskömmlich finanziert und es gibt zu wenige Stellen. Die Wohlfahrtsverbände als Träger müssen zudem einen Mindest-Eigenanteil von zehn Prozent der Kosten einbringen. Damit kommen sie aber kaum aus – je nach dem, wie hoch die Personal- und Sachkosten vor Ort sind.

Was passiert, wenn die Bundesmittel um ein Drittel gekürzt werden?

Allein in NRW könnten – bei allen Trägern insgesamt – bis zu 80 Vollzeitstellen in der Migrationsberatung wegfallen. Wenn es bei der geplanten Kürzung bleibt, wird es in jedem Fall zu Stellenabbau kommen. Die Mittel werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an die jeweiligen Wohlfahrtsverbände ausgeschüttet, in unserem Fall an den Deutschen Caritasverband. Konkrete Aussagen zur Verteilung sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Das flächendeckende Angebot der Migrationsberatung ist aber deutlich bedroht. Wir setzen uns gemeinsam mit den anderen Wohlfahrtsverbänden intensiv dafür ein, dass die Kürzungen zurückgenommen werden.

Wie reagieren die Beraterinnen und Berater?


Stefanie Tegeler ist Flüchtlingsbeauftragte im Bistum Münster. | Foto: Juliane Büker (Caritas).

Sie sind entsetzt. Die Regierung will mit dem neuen Fachkräfte-Einwanderungsgesetz und der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts Deutschland auch für dringend benötigte Fachkräfte attraktiv machen. Mit den Aufgaben, die vor uns liegen, sind die Kürzungen nicht zu vereinbaren. Es standen für 2023 schon einmal Kürzungen im Raum. Sie wurden zurückgenommen, weil wir klar machen konnten, dass diese wichtige Aufgabe nicht mit weniger Personal zu meistern ist, gerade auch im Licht des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Die Lage hat sich seitdem nicht verändert. Die Politik scheint wenig Einblick in die Leistungen der Migrationsberatung zu haben. Die Beraterinnen und Berater müssen die Pläne als mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit sehen, die sie aufgrund der hohen Nachfrage ohnehin kaum bewältigt bekommen.

Warum ist die Beratung so wichtig?

Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer richtet sich ausdrücklich an die Menschen, die eine Bleibeperspektive haben. Also an zugewanderte Fachkräfte, an Geflüchtete im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention, etwa aus Kriegsgebieten, und an Menschen, denen ähnlicher Schutz zusteht. Die Beratung unterstützt zum Beispiel bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Es geht um Fragen der Teilhabe an Arbeitsmarkt und Bildung. Die Beratung leistet einen entscheidenden Beitrag zur Integration, den zum Beispiel Integrationskurse nicht abdecken, in denen es vor allem um Wissensvermittlung geht. Die Migrationsberatung bildet zusammen mit Angeboten wie dem Jugendmigrationsdienst, den psychosozialen Zentren und der Asylverfahrensberatung einen unerlässlichen und etablierten Baustein der Integrationsarbeit. Dass in all diesen Bereichen gekürzt werden soll, ist unverantwortlich.

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