Jens Joest zu geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt 2024

Der Rotstift regiert über die soziale Vernunft der Ampel-Parteien

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Haushaltsberatungen im Bundestag - die jüngste Einigung bei der Kindergrundsicherung lässt vermuten, dass Leistungen für den sozialen Zusammenhalt eher nicht oben auf der Prioritätenliste stehen. Unser Redakteur Jens Joest sagt, warum das kurzsichtig ist.

Wenn der Bundestag in der kommenden Woche den Haushalt 2024 berät, ist nichts weniger als ein Neustart zu wünschen. Mit deutlichen inhaltlichen Korrekturen.

Das Ansehen der Regierungsparteien ist auf einen Tiefpunkt gesackt: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Eiltempo-Abstimmung über ein nicht unwichtiges Heizungsgesetz gestoppt. Im Sommer erweckten Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Eindruck, Ferien im Sandkasten zu verbringen: Wenn du nicht meiner Kindergrundsicherung zustimmst, mache ich deine Sandburg „Wachstums-Chancengesetz“ kaputt.

Rotstift statt Sozialreform

Dass laut jüngster Versöhnung zunächst nur 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung bereit stehen, spricht Bände. Mag sein, dass Paus' erste Zwölf-Milliarden-Forderung unrealistisch war. Aber dass ein geplanter Bürokratie-Abbau und das Nachjustieren einzelner Schräubchen als Sozialreform verkauft werden, zeigt: Der Rotstift regiert.

Ja, Deutschland hat massiv Schulden gemacht – bei den Corona-Hilfen, für die Bundeswehr angesichts des russischen Ukraine-Angriffs und dabei, unabhängiger von russischer Energie zu werden. Ja, die Schulden sollten nicht weiter wachsen, sondern möglichst abgebaut werden. Ja, eine wachsende Wirtschaft würde für Arbeit und Einkommen sorgen.

Kurzsichtige Kürzungen

Gesellschaftlicher Zusammenhalt aber scheint nicht auf der Prioritätenliste der Haushaltsplaner zu stehen. Deutschland wirbt auch im Ausland um Fachkräfte, nimmt Geflüchtete aus der Ukraine auf – und kürzt den Etat für Migrationsberatung um ein Drittel. Die Politik sorgt sich wegen angeblichen fehlenden Engagements junger Menschen für das Gemeinwohl – und streicht ein Viertel der Mittel für Freiwilligendienste.

Wer bei Integration spart, konserviert Probleme. Wer bei jungen Leuten spart, geht den Weg des geringsten Widerstands unter den Wahlberechtigten.

Blick nicht nur auf wirtschaftlichen Wohlstand

Es heißt, kein Haushalt komme so aus den Bundestags-Beratungen heraus, wie er hineinging. Im Sozialen ist das dringend zu wünschen. Denn neben wirtschaftlichem Wohlstand sollte auch sozialer Zusammenhalt ein erstrebenswertes Ziel sein.

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