Philipp Soggeberg von der FSD im Bistum Münster über Konsequenzen

Ampel streicht Freiwilligendiensten Geld: Fällt jede vierte Stelle weg?

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Laut Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 soll der Etat für Freiwilligendienste um ein Viertel gekürzt werden, für 2025 sind weitere Einschnitte geplant. Was das bedeutet, erläutert Philipp Soggeberg. Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft „Freiwillige Soziale Dienste im Bistum Münster“ (FSD), die im nordrhein-westfälischen Bistumsteil die Freiwilligen in katholischen Einrichtungen begleitet.

Herr Soggeberg, ab Dienstag, 5. September, berät der Bundestag den Bundeshaushalt 2024. Bei den Freiwilligendiensten steht eine Kürzung um ein Viertel im Raum. Welche Folgen hätte sie?

Wir geben gerade Vollgas, kontaktieren Abgeordnete und versuchen, die Kürzung noch abzumildern. Wir gehen aber davon aus, dass es Einschnitte gibt. Das dürfte zum einen bedeuten, dass wir weniger Plätze im Bundesfreiwilligendienst und im Freiwilligen Sozialen Jahr besetzen können – womöglich ein Viertel weniger. Das ist nicht nur für die jungen Menschen schade, sondern auch für die Häuser, die leer ausgehen. Im NRW-Teil des Bistums Münster gibt es mehr als 800 Plätze bei katholischen Einrichtungen. Zum anderen sehe ich die Gefahr, dass die Qualität der pädagogischen Betreuung dem Sparzwang zum Opfer fällt – obwohl Standards zum Teil vorgegeben sind. Rechnerisch könnte man natürlich so verteilen, dass pro Platz eines Dienstleistenden weniger Fördergeld zur Verfügung steht.

Wie soll das gehen?

Unsere Einsatzstellen zahlen den Dienstleistenden das Taschengeld und uns eine geringe Pauschale für die pädagogische und organisatorische Begleitung. Wir könnten natürlich sagen: Das steigt jetzt. Ich denke aber, dass gerade kleinere Einrichtungen – zum Beispiel kleine Kitas – das kaum zahlen könnten. Es wird eine Herausforderung für uns sein, eine faire Lösung für alle zu schaffen, damit kein künstlicher Wettbewerb zwischen den Einsatzstellen entsteht. Freiwilliges soziales Engagement darf nicht am Geld scheitern.

Die Kürzungen betreffen 2024, kommen also schnell. Wie reagieren Sie?


Philipp Soggeberg ist Geschäftsführer der Gesellschaft „Freiwillige Soziale Dienste im Bistum Münster“. | Foto: FSD

Wir können noch keine konkreten Pläne machen, weil der Umfang der Einschnitte nicht feststeht. Wir sind unfassbar überrascht über die Höhe der Kürzungen. Im Mai hatte es geheißen, es gehe um zehn Prozent. Wie massiv es wird, müssen wir erst sehen. Womöglich haben wir noch ein bisschen Luft: Es heißt, im Kursjahr 2023 / 24 bleibe noch alles wie gehabt, Kürzungen greifen ab August 2024. Nachdenken müssen wir natürlich trotzdem. Nicht, dass dann schon das Geld fürs ganze Jahr aufgebraucht ist.

Wer entscheidet, welche Einsatzstellen wegfallen?

Es ist gar nicht sicher, dass Stellen wegfallen. Die Bewerbungssituation ist etwa wie im vergangenen Jahr. Es werden wohl mehr junge Menschen eine Absage erhalten. Womöglich wird es darum gehen, sich schnell zu bewerben. Wenn dann 600 der 800 Stellen besetzt sind, gibt es für die verbleibenden eventuell keine Förderung mehr. Sie könnten dann unbesetzt bleiben, aber im nächsten Jahr wieder zum Zug kommen.

Kann die Gesellschaft FSD nicht helfen?

Theoretisch können wir aus eigenen Mitteln zuschießen. Den Hauptteil unserer Gelder bekommen wir aber von den Einsatzstellen. Damit blieben die Mehrkosten letztlich an den Einrichtungen hängen.

Welches Signal senden die Kürzungspläne?

Ein fatales. Es scheint, dass politische Wertschätzung für Freiwilligendienste fehlt. Es dominiert das wirtschaftliche Denken, lieber „etwas Vernünftiges“ zu machen als ein Jahr des freiwilligen Engagements und der persönlichen Orientierung. Dabei tun unsere Freiwilligen viel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das soziale Klima. Gleichzeitig wird über ein Pflichtjahr nachgedacht, damit sich junge Menschen für das Gemeinwohl engagieren. Das passt nicht zusammen.

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