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Klagen gegen die "Bild"-Zeitung, eidesstattliche Versicherungen, Ermittlungen wegen Falschaussagen - das juristische Tauziehen rund um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hält an. Ein Überblick, worum es geht.
Was stand am Anfang der juristischen Auseinandersetzungen?
Kardinal Woelki fühlte sich durch mehrere Berichte der "Bild"-Zeitung zu seinem Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt falsch dargestellt. Gegen die aus seiner Sicht "ehrverletzende Falschberichterstattung" ging er mit Einstweiligen Verfügungen vor. Dabei setzte er sich mehrfach erfolgreich gegen den Axel-Springer-Verlag durch, muss aber auch einige Äußerungen der Zeitung hinnehmen.
Worum geht es in den laufenden Verfahren?
In den presserechtlichen Verfahren klagt Woelki gegen Berichte zu zwei Fällen. Zum einen geht es um einen von ihm beförderten Priester, der 2001 einen damals nicht strafbaren sexuellen Kontakt zu einem 16-jährigen Prostituierten hatte. Der Erzbischof wehrt sich gegen die Darstellung der "Bild", er habe bei der Beförderung 2017 darüber hinaus von belastenden Dokumenten gewusst. Dabei geht es um eine Polizeiwarnung vor einem Einsatz des Geistlichen in der Jugendarbeit und um ein Gesprächsprotokoll mit Missbrauchsvorwürfen eines Mannes gegen den Priester. Der Erzbischof beteuert, er habe nur von dem sexuellen Kontakt zu dem Prostituierten gehört und von "weiteren Gerüchten", worunter er unbewiesen gebliebene Vorwürfe versteht.
Im anderen Fall geht es um Missbrauchsvorwürfe gegen den Ex-Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", den 2019 verstorbenen Winfried Pilz. Er verbrachte seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen, das schon von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nicht über die Vorwürfe informiert worden war. "Bild" schrieb, Woelki habe sich gegen ein Nachholen der Meldung entschieden. Der Kardinal weist das zurück: Er habe vom Fall Pilz nichts gewusst.
Wie ist der Stand der Verfahren?
Im Fall des beförderten Priesters gab das Landgericht Köln Woelki Recht. Laut Urteil darf die "Bild" nicht schreiben, Woelki habe die Inhalte der belastenden Dokumente zum Zeitpunkt der Beförderung gekannt. Der Springer-Verlag kündigte Berufung gegen das Urteil an.
Auch im Fall Pilz gab das Landgericht Köln Woelki zunächst Recht. Das Hauptsacheverfahren steht aber noch aus; die mündliche Verhandlung ist für Oktober geplant.
Warum ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Woelki?
Der Kardinal hat mit drei eidesstattlichen Versicherungen seine Positionen untermauert. Sowohl im Fall Pilz als auch im Fall des beförderten Priesters gingen bei der Staatsanwaltschaft Köln Anzeigen gegen den Erzbischof wegen möglicher falscher Versicherung an Eides statt ein. Die Strafverfolgungsbehörde zögerte zunächst, nahm dann aber doch Ermittlungen auf. Falsche Aussagen an Eides statt werden laut Paragraf 156 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet.
Was veranlasste die Ermittlungen?
Auslöser war zum einen die Aussage der Ex-Sekretärin des früheren Kardinals Meisner, sie habe Woelki schon um das Jahr 2010 in dessen Zeit als Kölner Weihbischof in einem Telefonat über aus ihrer Sicht grenzverletzendes Verhalten des später beförderten Priesters gegenüber Jugendlichen informiert. Die Sekretärin erklärte aber auch, sie habe weder Polizeiwarnung noch Personalakte gesehen und daher mit Woelki darüber auch nicht gesprochen.
Mit Blick auf Woelki-Aussagen zum Fall Pilz startete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen, nachdem eine frühere Mitarbeiterin der Personalabteilung im Generalvikariat in einem Interview gesagt hatte, sie habe bereits 2015 für ein Arbeitstreffen ihres Chefs mit dem Erzbischof eine Liste mit beschuldigten Priestern - darunter Pilz - erstellt.
Wie reagierte Woelki darauf?
Zu der Liste erklärte der Erzbischof: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich diese Liste erhalten habe, dass ich diese Liste zur Kenntnis genommen, also angesehen habe." Somit könne er sich auch nicht erinnern, auf der Liste den Namen Pilz gesehen zu haben. Mit diesem Fall habe er sich persönlich nicht befasst, weshalb er sich auch nicht gegen eine Meldung nach Dresden entschieden habe. Von den Vorwürfen gegen den Priester habe er erst Ende Juni 2022 erfahren - wenige Tage bevor das Erzbistum Köln den Fall öffentlich machte.
Zum Telefonat mit der Meisner-Sekretärin sagte Woelki, er könne sich nicht daran erinnern: "Für mich gibt es dieses Gespräch nicht."
Warum ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen eines möglichen Meineids, also einer Falschaussage vor Gericht?
Wieder aufgrund einer Anzeige. Im Verfahren gegen "Bild" musste Woelki am 28. März selbst vor Gericht erscheinen. Zum Ende der fast zweistündigen Verhandlung beeidete Woelki auf Drängen des Axel-Springer-Verlags seine Aussagen. Zwei eigentlich für die Verhandlung nicht notwendige Sätze tragen laut Medienberichten dem Kardinal nun den Vorwurf des Meineids ein. Dieser wird als Verbrechen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr oder in minder schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In dem Verfahren ging der Kardinal über die zur Debatte stehenden Aussagen hinaus: Ihm seien nicht nur bei der Beförderung des Priesters 2017 die Polizeiwarnung und das Gesprächsprotokoll unbekannt gewesen. "Die beiden Dokumente, um die es hier geht, habe ich bis heute nicht gesehen", fügte Woelki hinzu. Von dem Gesprächsprotokoll habe ihm "bis heute" niemand etwas berichtet.
Warum könnte das eine Falschaussage sein?
Der Anzeigen-Erstatter verweist auf einen Brief Woelkis vom November 2018 an den Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, in dem der Erzbischof detailliert von sämtlichen Vorwürfen gegen den beförderten Priester berichtet und auf das Gesprächsprotokoll Bezug nimmt. Außerdem wurde ein Protokoll bekannt, wonach im Herbst 2022 die Stadt- und Kreisdechanten aus dem Erzbistum bei einer zweitägigen Sitzung Woelki mit seinem Schreiben nach Rom konfrontierten und mit ihm ausführlich darüber sprachen.
Was sagt Woelki zum Meineid-Vorwurf?
Das Erzbistum Köln weist den Meineid-Vorwurf zurück. Woelkis Schreiben nach Rom beziehe sich zwar auf das Gesprächsprotokoll, aber ohne Details zu übernehmen. Von daher gebe es keinen Widerspruch zu seinen Aussagen vor Gericht. Die zuständige Fachstelle habe das Schreiben inhaltlich in eigener Verantwortung erstellt. "Kardinal Woelki hat das Schreiben zwar abgezeichnet. Er kann sich aber nicht erinnern, das Schreiben gelesen zu haben", so das Erzbistum. Für Woelki sei es zudem heute nicht mehr nachvollziehbar, ob ihm zur Unterzeichnung des Schreibens auch die dazugehörigen 59 Anhänge vorgelegt worden seien. Zur Dechanten-Sitzung und dem Protokoll wollte sich die Erzdiözese nicht äußern; die Inhalte seien vertraulich.
Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Woelkis Argumentation?
Beobachter inner- und außerhalb der Kirche nehmen es Woelki nicht ab, dass er den Brief an einen der ranghöchsten Vertreter der katholischen Kirche, den Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, zwar unterschrieben, aber nicht gelesen haben will.