Jens Joest zur Zukunft von Pfarreien und Gottesdiensten

Der Rückzug der Kirche aus der Fläche ist kein Drama

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Kirche in jedem Stadtviertel, Gottesdienste in jedem Dorf? Wenn sich die aktuellen Zahlen so weiter entwickeln, könnte das bald unrealistisch werden. Dabei ist die Kirche schon heute nicht flächendeckend präsent, etwa auf dem Land oder in der Diaspora, sagt Redakteur Jens Joest. Es gibt also Lösungsansätze für die Zeit nach der Pfarrei, wie wir sie heute kennen.

Mit kaum einer Entscheidung kann sich eine Pfarrei so unbeliebt machen wie mit veränderten Gottesdienstzeiten. Wenn womöglich die Vorabendmesse wegfällt und ihre letzten Besucher nun ausweichen müssen – auch noch ins ungeliebte Nachbardorf. Diese „Mangelverwaltung“ ist das letzte Aufbäumen eines Gemeindeprinzips, das die ganze Fläche abdecken will – aber mittelfristig keine Chance hat.

So lange es so wenige Priester und – seien wir ehrlich – auch nur noch so wenige Messbesucher gibt, müssen wir uns an weniger Gottesdienste gewöhnen. Das wird zu Schwerpunkten führen.

Vielleicht zu klassischen Formaten an traditionsreichen Standorten. Zu kreativen Konzepten in Jugendkirchen. Firmlinge, die dort waren, sind oft begeistert: „Wenn Gottesdienste doch immer so gestaltet wären!“

 

Zelebrieren im Stundentakt - in drei Orten?

 

Aber das geht kaum jeden Sonntag. Nicht, wenn ein Priester nahezu im Stundentakt drei Messen nacheinander zelebriert und zwischendurch mit quietschenden Reifen an einer Radarfalle vorbei in den Nachbarort rast.

Wer Qualität will, muss Quantität verringern. Das mag in der Stadt mit mehreren Kirchen, kurzen Fußwegen und vielen Buslinien einfacher sein. Unmöglich ist es auch auf dem Land nicht.

 

Erfahrungen von Diaspora-Gemeinden

 

In nicht wenigen Bauerschaften und Dörfern hat noch nie eine Kirche gestanden. Die Gläubigen dort mussten immer zwei Orte weiter, um zum Gottesdienst zu kommen. Das hat jahrhundertelang funktioniert. Auch Minderheiten-Pfarreien etwa im nördlichen Oldenburger Land gehen längst mit solchen Gegebenheiten um.

Da organisieren Pfarreien Abholdienste, da nehmen Familien die Nachbarin mit, die nicht mehr so gut zu Fuß ist. Diaspora mag kein erstrebenswertes Ziel sein. Aber sie bietet Lösungen an.

 

Qualität muss stimmen, damit der Wege-Aufwand lohnt

 

Und sie weckt auf. Nicht unwahrscheinlich, dass ganz Deutschland zur Diaspora wird. Dann wird es aufwändig, zum Gottesdienst, zum Gemeinde- oder zum Verbandstreff zu kommen.

Damit sich das lohnt, muss die Qualität stimmen. Und jede und jeder Einzelne muss das bequeme Lamentieren beenden und sich fragen: „Ist es mir die Mühe wert? Fahre ich für meinen Glauben auch ins Nachbardorf?“ Die Kirche braucht ein so gutes Angebot, dass die Antwort „Ja“ lautet.

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