Jens Joest über den unerwartet starken Einbruch bei den Messfeiern

Kaum noch Gottesdienstbesuch – das liegt nicht an den Austritten

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Nur noch 3,7 Prozent der Katholiken im Bistum Münster haben 2021 den Sonntagsgottesdienst besucht. Diesen Einbruch der Zahlen nur auf Corona, Kirchenaustritte und die Lage der Kirche zu schieben, greift zu kurz, kommentiert unser Redakteur Jens Joest.

Auch wenn die Kirchenaustritts-Rekorde für 2021 nicht unerwartet kamen – der gleichzeitige Absturz beim Gottesdienstbesuch ist eine unterschätzte böse Überraschung. Bemerkenswert ist nämlich, dass die Werte gerade 2021 zusammenbrachen.

Zu Beginn der Corona-Pandemie waren wochenlang gar keine Präsenz-Gottesdienste gefeiert worden. Das allerdings war 2020.

Starker Rückgang, obwohl es weniger Corona-Einschränkungen gab

So umfassende Einschränkungen gab es 2021 nicht mehr. Gottesdienste fanden – mit Abstand und Maske – kontinuierlich statt. Dennoch ging die Teilnehmendenzahl 2021 im Bistum Münster um beinahe 30 Prozent gegenüber dem Corona-Jahr 2020 zurück.

Den Einbruch 2021 – auch im Vergleich zum Pandemie-Beginn – nur auf andauernde Corona-Bedenken eines eher älteren Mess-Publikums zu schieben, greift zu kurz und übersieht zweierlei.

Nicht die Ausgetretenen fehlen, sondern die Gebliebenen

Erstens: Viele Ausgetretene aus dem „Kern“ der Gemeinden trennen zwischen Kirche und Glaube. Sie lehnen die Institution ab, besuchen aber womöglich weiter Gottesdienste, wenn sie diese als für sich wertvoll erleben. Hinzu kommt: Viele Abgewendete haben schon seit Jahren kaum Gottesdienste besucht. Nicht die Ausgetretenen lassen also die Zahlen beim Messbesuch sinken, sondern die Gebliebenen.

Denn – das ist der zweite Punkt: Viele Menschen vermissen Gottesdienste nicht mehr. Das wirft die Frage nach deren Qualität auf und hat nichts zu tun mit den viel genannten Austrittsgründen.

Quantität statt Qualität

An wie vielen Orten gibt es eigentlich Vorabend- oder Sonntagsmessen, deren Streichung sich niemand traut, obwohl nur noch zehn Gläubige dabei sind? Messen, die der Priester womöglich unter Zeitdruck feiern muss, weil er im Anschluss noch in der Nachbarkirche zelebriert?

Nicht selten schlägt die Quantität der Gottesdienste längst die Qualität. Dass kaum mehr vier von 100 Katholiken im Bistum Münster die Messe besuchen, kann auch an deren Gestaltung liegen.

Kirchen-Frust oder Bequemlichkeit?

Zugleich ist die Messbesuchszahl auch eine Anfrage an jeden einzelnen Glaubenden: Bleibe ich aus Kirchen-Frust weg? Oder gar aus Bequemlichkeit?

Die Eucharistie feiert die Gegenwart Gottes – nicht weniger. Das sollte den liturgisch Handelnden ebenso wie den Messbesuchern ein wenig Mühe wert sein.

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