EKD-Ratsvorsitzende bedauert auch Stillstand bei der Ökumene

Kurschus: Woelki-Skandal fördert Austritte aus evangelischer Kirche

  • Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, sieht einen Stillstand in den Beziehungen zur katholischen Kirche.
  • Das Thema sexuelle Gewalt sorge in beiden Kirchen für einen großen Vertrauensverlust und für zahlreiche Kirchenaustritte.
  • 83 Prozent der aus Kirchen Ausgetretenen gaben den Umgang mit sexuellem Missbrauch als Motivation an. Dies ergab eine aktuelle SWR-Umfrage.

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Nach einem positiven Schub durch das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 beobachtet die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, inzwischen wieder einen Stillstand in den Beziehungen zur katholischen Kirche. Gegenwärtig nehme sie eine Stagnation in der Ökumene wahr, sagte Kurschus der Zeitschrift „Herder Korrespondenz“ in deren Oktober-Ausgabe. Die westfälische Präses verwies dabei auf die Belastung durch das Thema sexualisierte Gewalt.

„Der große Vertrauensverlust ist für beide Kirchen schlimm“, sagte Kurschus. Die Krise zwinge dazu, „uns intensiv mit unseren eigenen Organisationen zu beschäftigen“. Das gehe nicht ökumenisch, sagte Kurschus, die betonte, dass Muster und Ausmaß von Missbrauch in beiden Kirchen unterschiedlich seien. Paradoxerweise merke man aber auch, „wie sehr wir in einem Boot sitzen, wenn etwa wegen des Eklats um Kardinal Rainer Maria Woelki scharenweise Menschen aus der evangelischen Kirche austreten“, sagte sie mit Blick auf die Kritik am Kölner Erzbischof: „Dadurch wird die Ökumene leider nicht gerade befördert.“

Umfrage: Missbrauch führt zu Austritten

Zum Thema Kirchenaustritte führte der SWR eine Onlineumfrage zwischen dem 1. April und dem 31. August durch und ließ sich dabei vom Leipziger Religionssoziologen Gert Pickel begleiten. Austretenden in mehr als 20 Standesämtern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde ein Flyer mit Link auf einen Fragebogen übergeben, in dem sie anonym Austrittsgründe nennen konnten. 864 Menschen nahmen teil, davon waren zwei Drittel katholisch und ein Drittel evangelisch. Das Durchschnittsalter der Ausgetretenen lag demnach bei 31.

Für 83 Prozent waren die Fälle sexuellen Missbrauchs und der Umgang der Kirchen damit eine wichtige Motivation zum Austritt. Diese Zahl lag bei den Katholiken mit 91 Prozent deutlich über dem Wert der Protestanten (70 Prozent). Nur knapp die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage zu, keinen Bezug mehr zum christlichen Glauben zu haben. 87 Prozent der aus einer Kirche Ausgetretenen will die Institution nicht mehr finanziell unterstützen: Ihr Schritt liege nicht darin begründet, dass sie Geldsorgen hätten und das Gesparte für sich benötigten.

Gleichstellung der Geschlechter großes Thema

Ökumene sei dann auf einem guten Weg, wenn neben dem Verbindenden auch das benannt werde, „was Mühe macht und beschwerlich ist“, meinte Kurschus. „Besonders beschwerlich ist für mich, dass es Frauen in der katholischen Kirche weiterhin versagt bleibt, ein leitendes geistliches Amt auszuüben“, sagte die oberste Repräsentantin der evangelischen Kirche. 

Fast zwei Drittel der befragten Ausgetretenen sprachen sich für die Gleichstellung der Geschlechter aus. Etwa ein Viertel der Teilnehmenden sieht sich auch nach dem Kirchenaustritt als katholisch beziehungsweise protestantisch und will die eigenen Kinder an Aktivitäten der kirchlichen Gemeinden teilnehmen lassen.

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