Zahl der Bedürftigen hat sich verdoppelt

Energiekrise bedroht Warendorfer Tafel - an Spenden mangelt es nicht

  • Die Nachfrage nach Lebensmitteln der Tafel in Warendorf hat sich mit den Flüchtlingen aus der Ukraine verdoppelt.
  • Ehrenamtliche Helfer und Nahrungsmittel gibt es ausreichend – aber die Energiepreise machen Sorgen.
  • Wenn die Preise zu sehr steigen und es keine Finanzierungszusagen gibt, ist das Angebot bedroht.

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Geheizt wird sowieso schon so gut wie gar nicht, sagt Heiner Schoppmann. „Das wäre für die Lagerung der Lebensmittel ohnehin kontraproduktiv.“ Da ziehen sich die Helfer im Caritas-Warenkorb in Warendorf lieber eine dicke Jacke an, anstatt die Heizung höher zu drehen. Trotzdem wird der Leiter der Lebensmittelausgabe im Schatten der St.-Laurentius-Kirche deutlich, wenn er auf die kommenden Wintermonate mit den unsicheren Energiepreisen schaut: „Die Strom- und Dieselpreise sind für uns entscheidend – wenn die zu sehr steigen, können wir unser Angebot vielleicht nicht mehr machen.“

Wie wichtig dieses Angebot gerade in den vergangenen Wochen geworden ist, wird deutlich, wenn die ehrenamtlichen Kräfte an zwei Tagen in der Woche die alten Holztüren des Fachwerkhauses öffnen. Davor hat sich dann immer eine Schlange gebildet, obwohl die Besuche der Bedürftigen mittlerweile zeitlich eingeteilt wurden. Die Nachfrage wird größer, das zeigen auch die Zahlen. 110 Menschen kamen Anfang des Jahres pro Woche, um sich mit Lebensmitteln aus Spenden zu versorgen. Mittlerweile sind es doppelt so viele. Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine ist der Bedarf sprunghaft angestiegen.

Trotz Hektik herzlich willkommen

„Nummer 39.“ Schoppmann hat die Tür zum Hof geöffnet und fragt die Wartenden nach der Nummer auf ihren gelben Zetteln, mit denen sie vom Sozialamt ihre Berechtigung für den Tafel-Einkauf bescheinigt bekommen haben. „Herzlich willkommen“, sagt der 73-jährige Rentner, der sich schon seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Tafel engagiert. Nach und nach lässt er die Kunden ein, immer nur so viele, dass es zwischen den Kühltheken und Warentischen kein Gedränge gibt. Bevor sie mit ihrem Korb zu den Angeboten können, hakt er sie auf einer Namensliste ab und kassiert ihre zwei Euro Eigenbeitrag.

„Wir haben für sie immer schon einige Dinge vorbereitet“, sagt Schoppmann und zeigt auf das Regal, in dem sich die roten Körbe mit den Zahlen aneinanderreihen. Unter anderem Süßigkeiten, Margarine und Nudeln sind darin – Dinge, die zugeteilt werden müssen, weil ihr Vorrat begrenzt ist. „In den Körben für Familien mit Kindern stecken wir gern mal etwas mehr süße Sachen.“ Von seiner Liste weiß er, für wie viele Köpfe der Kunde gerade einkauft. „Nummer 39“, ruft er wieder. Dieses Mal gilt das den Helferinnen hinter den Theken. Sie können sich dann den passenden Korb greifen.

Die Bereitschaft zu spenden ist groß

Insgesamt werden über die Tafel in Warendorf 650 Personen versorgt, 300 davon sind Kinder. Die Spenden kommen aus Supermärkten, dem Großhandel und von Lebensmittelproduzenten. „Das ist nicht der begrenzende Faktor“, sagt Schoppmann. „Die Bereitschaft, mit Nahrungsmitteln zu helfen, ist groß.“ Auch an freiwilligen Helfern mangelt es nicht. 70 ehrenamtliche Kräfte stehen insgesamt zur Verfügung – für die Transportfahrten, für die Sortierung, für die Ausgabe.

Was zur entscheidenden Größe werden könnte, ist die Energie. Fünf Kühltheken müssen versorgt werden, dazu zwei Gefriertruhen. Im Lager gibt es noch eine Kälte- und eine Gefrierzelle – sechs Grad und minus 18 Grad Celsius kalt. Die Kühlkette vom Spender bis zur Ausgabe darf nicht unterbrochen werden. Deshalb sind auch die beiden Lieferwagen mit Kühlungen versehen. All das bedeutet einen hohen Energieaufwand – neben der Miete ist das der größte Kostenpunkt.

Finanzierung muss gesichert werden

Die Beiträge der Bedürftigen helfen bei der Finanzierung, regelmäßige Spenden ebenfalls. Wenn ein Loch entsteht, springt der Caritasverband für das Kreisdekanat Warendorf ein. Aber was passiert, wenn die Strom- und Treibstoffpreise weiter explodieren? Die Caritas als Träger rechnet mit einer Verdoppelung der Kosten. „Wir könnten auch den Eigenbetrag der Menschen verdoppeln“, sagt Schoppmann. „Dann kämen anstatt 600 Euro vielleicht 1200 Euro rein.“ Mehr Spielraum ist in seinen Augen kaum möglich. „Wir brauchen also eine verlässliche Finanzierungszusage von außen.“

Außen, damit sind alle öffentlichen und kirchlichen Träger gemeint, die in die Pflicht genommen werden können. Aber auch dort ist die Unsicherheit noch groß, für welche Ausmaße Unterstützung gebraucht wird. Ein trauriges Szenario könnte der Tafel in Warendorf drohen: Es gibt ausreichend Helfer, genug Essen und eine wachsende Zahl Bedürftiger. Aber keinen Strom und keinen Sprit, um das funktionierende System der Essensausgabe aufrechtzuerhalten.

Es geht nicht nur um Nahrung

Nicht nur die Nahrung würde dann fehlen, auch die Wärme, die in den Gesprächen zwischen den Ehrenamtlichen und Kunden zu spüren ist. „Etwas mehr Margarine, bitte“, sagt die junge Frau in gebrochenem Deutsch. Gerade dieses Lebensmittel ist im Augenblick aber Mangelware. Trotzdem reicht ihr die Helferin noch ein Paket über die Theke. Die Kundin spürt das Zögern. „Kuchen, Kuchen“, sagt sie dann. Und: „Geburtstag.“ Ohne Tafel müsste ohne Selbstgebackenes gefeiert werden.

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