41-Jährige ist seit 100 Tagen in der Diözesanleitung

Die erste Caritas-Chefin im Bistum Münster - das plant Pia Stapel

  • Pia Stapel ist die erste Frau im Vorstand der Caritas im Bistum Münster.
  • Als wichtigste Aufgabe sieht sie den Einsatz für neue Arbeitskräfte in allen Bereichen der Einrichtungen.
  • „An dieser Stelle sind Kirche und Caritas nicht gleichzusetzen“, sagt sie im Hinblick auf schwindendes Vertrauen der Kirche.

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„Je vielseitiger und bunter, desto besser“, sagt sie. Das meint sie nicht nur für das gesamte Profil der Caritas-Angebote im Bistum Münster. Pia Stapel sagt das auch über die Leitung des Diözesanverbandes, die seit 100 Tagen zum ersten Mal von einem dreiköpfigen Vorstand gebildet wird. Zusammen mit Dominique Hopfenzitz und Pfarrer Christian Schmitt bedeutet das drei Blickwinkel. „Jeder kommt mit seiner individuellen Kompetenz, mit eigenen Erfahrungen und Sichtweisen.“

Und dann kommt sie noch als Frau. Auch das ist in der Leitung der Caritas im Bistum zum ersten Mal der Fall. Sie kommt damit sicherlich mit speziell weiblichen Kompetenzen – mit besonderen Fähigkeiten in der Kommunikation, mit den Lebenserfahrungen und -gefühlen einer Frau. „Das konkurriert nicht mit den Einstellungen meiner Vorstands-Kollegen – es ergänzt sich, bringt Kreativität, schafft Vielseitigkeit.“

Pia Stapel ist Familienmensch und Mutter

Und genau das passt für sie in die Caritas-Landschaft. Die im Bistum Münster allein durch die Fülle der Angebote schon ein buntes Profil besitzt, sagt sie. Mehr als 50 örtliche Vereine, 400 Einrichtungen, 80.000 haupt- und 30.000 ehrenamtlich Aktive – im Spitzenverband fühlt sich Stapel für alle verantwortlich. „Aber mit einer klaren Aufgabenteilung.“ Das tägliche Geschäft und die konkrete Organisation sind vor Ort verankert. „Unsere Aufgabe im Diözesancaritasverband ist es, die Arbeit politisch zu unterstützen und Hilfen für den Einsatz in der Fläche zu schaffen.“

Die 41-jährige Kulturwissenschaftlerin bringt für diese Aufgaben einiges mit. Nicht nur aus ihren bisherigen Tätigkeiten als Vorstandsassistentin im Diözesancaritasverband Hildesheim oder als langjährige Leiterin einer dortigen Stiftung der Behindertenhilfe. Auch aus ihrem privaten Leben sagt sie: „Als Familienmensch und als Mutter.“ Und ein wenig auch als Westfälin, die in Warendorf aufwuchs und sich freut, nach einigen Jahren in Niedersachsen wieder in die Heimat zurückgekehrt zu sein. Sie ist mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen nach Telgte gezogen, wohin sie früher nicht selten mit ihren Eltern Ausflüge machte.

Nachfrage nach Caritas-Angeboten steigt

Aus jener Zeit stammt auch ein grundlegender Impuls, den sie mit ins Leben nahm: der Einsatz für Menschen, die Unterstützung und Begleitung brauchen. Sie hat eine Schwester mit Behinderung, für die sie schon sehr früh Mitverantwortung übernahm. „Der Einsatz für sie war für mich tägliche Wirklichkeit, die mich geprägt hat.“ Wenn es Sorgen gab, wenn andere hänselten, wenn es an Verständnis für die besondere Situation fehlte, stellt sie sich vehement vor ihre Schwester. „Da konnte kommen, was wollte.“ Ein persönlicher Grundsatz, nahe an dem der Caritas: Hilfe für Menschen in Not. Da kann auch heute noch kommen, was will.

Es wird viel kommen, da ist sie sich sicher. „Die Nachfrage nach Angeboten der Caritas steigt, es sind Krisenzeiten.“ In vielerlei Hinsicht – das hat sie in den ersten Wochen in Münster bereits spüren können. Pandemie, Krieg, Energiekrise treiben vermehrt Menschen in Notsituationen. Ziel sei, den Status Quo der Caritas-Hilfen für die stark steigende Zahl Hilfesuchender aufrechterhalten zu können, sagt Stapel.

Fachkräftemangel als wichtigstes Einsatzfeld

Die wichtigsten Einsatzfelder des Vorstands dafür lagen ab dem ersten Arbeitstag auf ihrem Schreibtisch. „Vor allem der Arbeitskräftemangel“, sagt Stapel. Sie sagt bewusst nicht „Fachkräftemangel“. Weil es für sie um jeden Bereich geht, von der Hilfskraft bis zur Leitungsfunktion. „Dabei geht es nicht nur um neue Kräfte, sondern auch um den Umgang mit denen, die wir bereits haben.“ Sie zu binden, ihnen mit Fort- und Weiterbildungen Perspektiven zu schaffen, ist für den Spitzenverband ein „wichtiges Puzzleteil“, wie Stapel es nennt.

Nicht viel weiter unten auf ihrem Aktenstapel liegt damit auch die Frage des Geldes für diese Angebote. „Da gehen wir auf eine Knappheit von beiden Seiten unserer Finanzierung zu.“ Kirchensteuermittel werden langfristig genauso weniger werden wie öffentliche Mittel. Stapel sieht die Caritas da vor allem politisch gefordert. „Wir wollen uns weiterhin dafür starkmachen, dass möglichst viele Menschen eine möglichst gute Versorgung erhalten.“

Krisenzeiten fordern Solidarität

Ein dritter Bereich ist ihr wichtig: „Solidarität.“ Auch das ist für Stapel eine Kernaufgabe der Caritas. „Wir wollen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen – Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit verhindern“, sagt sie. „Gerade in gesellschaftlichen Krisenzeiten ist es entscheidend, einen gemeinschaftlichen Geist zu wahren.“ Integrative, demokratische und politische Angebote seien wichtig, Förderung des Ehrenamts oder Einbindung junger Menschen in die Caritasarbeit ebenfalls.

Hat die Caritas da noch ausreichend Strahlkraft? Immerhin ist sie Teil einer Kirche, deren gesellschaftliche Bedeutung rasant sinkt. Deren Vertrauensvorschuss mittlerweile verbraucht ist. „An dieser Stelle sind Kirche und Caritas nicht gleichzusetzen“, sagt Stapel. Ein schwer zu verdauender Satz, den sie aber erklärt. „Auf unserem Einsatz klebt nicht immer das Label ‚Kirche‘ – er wird in erster Linie über unser Angebot wahrgenommen, über unseren persönlichen Einsatz für Menschen.“

Caritas ist besonders starke Kirche

Das ist die entscheidende Ausstrahlung, sagt sie. „Wenn ein Mensch erlebt, wie andere sich für ihn starkmachen, dann entsteht Vertrauen.“ Dass dieser Einsatz nicht in der Luft hängen darf, ist für Stapel selbstverständlich. „Wir müssen nicht nur nach außen, sondern auch nach innen leben, woraus wir unsere Überzeugung dafür haben.“

Der Umgang mit Mitarbeitern ist für sie dabei genauso wichtig, wie der persönliche Ausdruck in den ungezählten Beratungsgesprächen, Pflege- und Betreuungssituationen. Sie findet einen neuen programmatischen Satz, der leichter verdaulich ist: „Caritas ist an dieser Stelle eine besonders starke Kirche.“

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