Keupp: Als erstes muss die Ausbildung der Priester verändert werden

Experte zu Kirche und Missbrauch: Vertrauen erst in Jahrzehnten

Nach Einschätzung des Psychologen Heiner Keupp wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Kirche wieder Vertrauen in der Bevölkerung aufgebaut hat. Als erste Voraussetzung dafür solle die Ausbildung der Priester verändert werden.

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Die katholische Kirche hat nach Ansicht des Psychologen Heiner Keupp noch einen langen Weg vor sich, um nach den Fällen sexualisierter Gewalt Vertrauen zurückzugewinnen. Studien zur Aufarbeitung könnten nur „ein wichtiger erster Schritt“ dahin sein, dass die Kirche wieder als Schutzraum für Kinder wahrgenommen werden könne, sagte Keupp der „Frankfurter Rundschau“.

Der Psychologe war an Studien zu den Missbrauchsfällen im Kloster Ettal und an der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim beteiligt. Eine Aufarbeitung hatte kürzlich das Bistum Limburg vorgelegt; ähnliche Forschungsprojekte unabhängiger Wissenschaftler laufen etwa in den Bistümern Münster und Paderborn.

Es hänge alles davon ab, dass Bistümer „glaubhafte Strukturen“ aufbauten: „Dann kann es vielleicht gelingen, dieses Vertrauen wieder herzustellen. Aber das kann Jahrzehnte dauern, denn jetzt ist es im Keller.“

 

Keupp sieht bei Kirchenvertretern eine „Art von abgehobener Selbstgerechtigkeit“

 

Nach Keupps Ansicht sollte zuerst die Ausbildung der Priester verändert werden. „Eine der Fragen ist, wie Priester in die Rolle hineinsozialisiert werden, dass sie glauben, sie hätten eine besondere, nicht nur pastorale Macht über die Gläubigen“, so der emeritierte Münchner Sozialpsychologe.

Dies müsse sich ändern, denn damit wachse „die Gefahr der Grenzüberschreitung“, gerade angesichts der Nähe von Priestern zu Jugendlichen. Nötig sei auch, dass viele Kirchenvertreter „insgesamt ihren merkwürdigen elitären Sonderstatus reflektieren, diese Art von abgehobener Selbstgerechtigkeit“, so der Experte.

 

Projekt „Betroffene hören - Missbrauch verhindern“

 

Das „wirklich Positive“ an der Limburger Studie sei, dass man nicht gewartet habe, bis von außen ein Anstoß gekommen sei: „Man hat gehandelt, und das ist auch die Pflicht der Kirche: Proaktiv zu handeln und wirklich alles auszuleuchten, damit es keine dunklen Felder mehr gibt.“

70 Experten hatten seit September 2019 im Auftrag des Bistums in dem Projekt „Betroffene hören - Missbrauch verhindern“ mitgearbeitet. In neun Teilprojekten analysierten sie den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Diözese seit rund 70 Jahren. Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller fungierte als externe Projektbeobachterin.

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