Kommentar von Chefredakteur Markus Nolte zum Rücktritt des Speyerer Generalvikars

Führungskrise in der Kirche: Ohne Reform kein qualifiziertes Personal

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Das war ein Beben: Der Speyerer Generalvikar wirft das Handtuch und wird altkatholischer Priester - der vierte Generalvikars-Rücktritt seit einem halben Jahr. Seine Gründe: Kirchenfrust und Hoffnungsverlust. Die Unbeweglichkeit der Verantwortlichen bei Reformen etwa im Arbeitsrecht geht an die personelle Substanz - nicht nur, wenn es um qualifizierte Führungskräfte geht, sagt Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar.

Uns laufen die Leute weg, jetzt auch in den Chefetagen! Spätestens seit dem Ausscheiden des Speyerer Generalvikars Andreas Sturm in der vergangenen Woche ist ein „katholischer brain­drain“ offenkundig, geistliche Fachkräfte-Abwanderung: Wir werden von den guten Geistern verlassen, den Hoffnungsträgern unter den Verantwortlichen der Kirche.

Sie steht mitten in einer dramatischen, symptomatisch schiefen Führungskrise: Während vier Erz- und Weihbischöfe trotz erwiesener Fehler und Rücktrittsangeboten blieben, machten allein im vergangenen halben Jahr vier Generalvikare Nägel mit Köpfen – aus Kirchenfrust oder fachlicher Überforderung: Neben Sturm hören Ansgar Thim im Erzbistum Hamburg, Markus Hofmann im Erzbistum Köln (als dritter Generalvikar unter Kardinal Woelki) und Michael Huber im Bistum Eichstätt als Generalvikare auf. 

Wenn sie gehen, rummst es zwar leiser als ginge ein Bischof, aber kaum weniger bedeutsam: Sie sind sein „Alter Ego“, sein „anderes Ich“! Bei jenen Vieren, die in den letzten sechs Monaten den Stuhl räumten (oder räumen mussten), zeigte sich: entweder sie können den Job nicht (mehr) oder sie wollen ihn nicht (mehr). Beides ist dramatisch. 

Selbst Loyale emigrieren innerlich

Und sie sind keine Einzelfälle, denn der Fachkräftemangel insgesamt in der katholischen Kirche ist exorbitant. In der Pflegebranche etwa sieht es ja schon ganz grundsätzlich und überall übelst aus. Führende Caritasverantwortliche sagen aber längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand: Wenn die Bischöfe jetzt nicht das kirchliche Arbeitsrecht reformieren und die persönliche Lebensführung als Kriterium für eine Anstellung streichen, können wir den Laden dicht machen.

Auch in Seelsorge, Schule und anderen Einrichtungen läuft die innere Emigration, weil einst hochgradig loyale Mitarbeitende an der Unbeweglichkeit ihrer Kirchen­leitung verzweifeln. Wenn dann sogar ein Generalvikar geht ...

Schluss mit pseudogmatischen Nickeligkeiten

Die katholische Kirche in Deutschland ist auf dem besten Weg, ihren Verlust an Relevanz und Glaubwürdikgeit durch den Verlust hochqualifizierter Fachleute zu potenzieren. Darum: Schluss mit pseudodogmatischen Nickeligkeiten und fürstbischöflicher Kleinstaaterei! Her mit entschiedenen Prioritätensetzungen, die eines Menschenfischers würdig sind.

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