Kaiser Augustus und das Bambino Gesu in Santa Maria in Aracoeli

Geheimtipp für Weihnachten in Rom: Ein Baby auf dem Kapitolshügel

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Kaiser Augustus, der mit der weihnachtlichen Volkszählung im Lukas-Evangelium, die heidnische Sibylle, das Christkind und das Guckloch der antiken römischen Auguren: nur auf den ersten Blick eine kuriose Zusammenstellung, wie Kerstin Thiel-Lunghini, Kunsthistorikerin und Stadtführerin, in einem weiteren Teil unserer lockeren Rom-Serie schreibt.

Wer sich vielleicht beim Besuch in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan gewundert hat, warum Michelangelo so viele monumentale Sibyllengestalten an die Decke gemalt hat, dem sei ein Besuch auf dem Kapitolshügel in Rom empfohlen, am besten zur Weihnachtszeit, denn dort in der Kirche S. Maria in Aracoeli fügt sich die scheinbar kuriose Zusammenstellung zu einer großartigen Erzählung zusammen.

Die Sibyllen waren die weissagenden Frauen in der heidnischen Antike. Wenn man völlig verzweifelt war oder überhaupt nicht mehr weiter wusste, wandte man sich an eine Sybille, die auf einfache und deutliche Fragen allerdings undeutliche, schwer verständliche, halt sibyllinische Antworten gab.

Ein Baby auf dem Himmelsaltar

Kerstin Thiel-Lunghini lebt seit langer Zeit mit ihrer Familie in Rom, wo sie als Kunst- und Kultur-Expertin Besuchern etwa unseres Partners Emmaus-Reisen die Ewige Stadt zeigt. | Foto: privat
Kerstin Thiel-Lunghini lebt seit langer Zeit mit ihrer Familie in Rom, wo sie als Kunst- und Kultur-Expertin Besuchern, etwa unseres Partners Emmaus-Reisen, die Ewige Stadt zeigt. | Foto: privat

Eine uralte Geschichte, die schon in der Völkerwanderungszeit in Rom greifbar ist, erzählt sogar, Kaiser Augustus hätte der Tiburtinischen Sibylle oben auf dem römischen Kapitol eine Frage gestellt: „Bin ich denn jetzt wirklich der Herrscher der ganzen Welt?“ Zu seinem Entsetzen antwortete ihm die Frau mit einem deutlichen „Nein, denn ich habe den wahren Herrscher der Welt gesehen, als ein Baby auf einem Altar im Himmel“.

Seitdem bildete diese Erzählung ein Scharnier zwischen Antike und Christentum, denn wenn die Ankunft des Messias auch vonseiten der Sibyllen anerkannt war, musste doch auch alle antike Weisheit bereits auf Christus hinzielen und brauchte nicht abgelehnt zu werden.

Vom Panzerglas-Schrein in die Krippe

Santa Maria in Aracoeli heißt die Kirche, die die Heimat dieser Erzählung ist – und Aracoeli ist eben dieser Himmelsaltar. Es verwundert bei dieser Vorgeschichte also nicht, dass das Christkind hier in Rom auf dem Kapitolshügel eben in dieser Kirche zu Hause ist. Alle Briefe an das Christkind, das „Bambino Gesu“, wie es hier liebevoll genannt wird, werden von der italienischen Post hier oben in Santa Maria in Aracoeli abgeliefert und werden in Körben neben der berühmten kleinen Statue aufbewahrt. Es heißt, dass jeder einzelne Brief von den Franziskanern, die die Kirche halten, auch beantwortet wird.

Die Weihnachtskrippe in S. Maria in Aracoeli gilt traditionell als die schönste Krippendarstellung Roms (siehe Fotostrecke). Am Weihnachtsabend zieht das berühmte Bambino Gesu selbstverständlich um: vom seinem Schrein aus Panzerglas in die Weihnachtskrippe in der Seitenkapelle der Kirche.

Auguren und „Auguri!“

Rom-Karte
Die Kirche Santa Maria in Aracoeli (rote Markierung) liegt unweit des Kolosseums. | Karte: openstreetmap.de

Um die Erzählung rundzumachen, müssen an diesem Punkt nur noch die Auguren eingepasst werden, die antiken römischen Priester, deren Aufgabe es war, durch die Beobachtung des Vogelfluges festzustellen, ob ein bestimmtes Vorhaben den Göttern genehm war und entsprechend durchgeführt werden konnte. Mit diesem „Augurium“ wurden wichtige Entscheidungen herbeigeführt.

Dort, wo sich heute die Kirche S. Maria in Aracoeli erhebt, befand sich in der römischen Antike der Junotempel und daneben war der Sitz der so wichtigen Auguren. Eine der antiken Säulen der Kirche soll aus dem Gebäude der Auguren stammen und weist eine schmale Durchbohrung auf, durch die womöglich diese Beobachtungen vorgenommen wurden.

Bis heute wünschen sich Italiener alles Gute, wenn sie „Auguri“ sagen, jetzt zu Weihnachten hört man überall „Auguri, tanti auguri!“ Damit schließt sich der Kreis von Kaiser Augustus über die Sibylle zum Christuskind und den Auguren.

In diesem Sinne „Auguri“ und Frohe Weihnachten aus Rom!

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