Technischer Leiter geht mit 80 Jahren in den Ruhestand

Karl-Heinz Schomaker organisiert die Telgter Wallfahrt zum letzten Mal

Zum letzten Mal Telgter Wallfahrt - Karl-Heinz Schomaker hört auf. | Video: Marie-Theres Himstedt

  • Der Osnabrücker Karl-Heinz Schomaker organisiert seit 35 Jahren die Telgter Wallfahrt – dem größten Pilgertreffen zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
  • Seit 170 Jahren führt die 46 Kilometer lange Strecke von Osnabrück nach Telgte zum Gnadenbild der Muttergottes.
  • Für Schomaker ist klar, auch wenn er nun mit 80 Jahren als technischer Leiter aufhört, dass er der Wallfahrt weiterhin verbunden bleibt.

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Das erste Wochenende im Juli hat er geblockt – dann geht es für Karl-Heinz Schomaker in die Vollen: Der Osnabrücker übernimmt seit 35 Jahren den technischen Part rund um die Telgter Wallfahrt – dem größten Pilgertreffen zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. „An der Klause vor Bad Iburg ist die erste Rast um 5.15 bis 5.40 Uhr.“ Die Pausenzeiten und die Dauer der Strecken der größten Osnabrücker Wallfahrt über die Landesgrenze weiß er nahezu auswendig.

Kein Wunder, der 80-Jährige kümmert sich bis ins Detail um die Kommunikation mit den Behörden, den Sicherheitsfahrzeugen und den Gemeinden entlang der Strecke. Als Kaufmann für Wohnmöbel reiste er beruflich jahrzehntelang deutschlandweit. Unterwegs sein und Leute zusammenbringen, das ist sein Ding. Seine Frau engagierte sich beim Sozialdienst katholischer Frauen, beide wurden für ihr ehrenamtliches Engagement von Papst Franziskus mit dem Silvesterorden ausgezeichnet.

Motto erinnert an #OutInChurch

Einsatz über das Übliche hinaus ist für Schomaker aber nicht der Rede wert, sondern selbstverständlich. Das Motto der Wallfahrt gestaltet Schomaker auch noch selbst, kümmert sich um Merchandise-Artikel wie Armbänder für die Kommunionkinder oder die Plaketten mit dem Wallfahrtsmotto. „Himmel + Erde berühren“ ist diesmal auf die begehrten Sammelplaketten gedruckt. Die Botschaft ist in gelb-blauen Farben gehalten, mit einem angedeuteten Regenbogen dahinter. „Daraus kann jeder seine Botschaft lesen“, merkt Schomaker an. Globale Themen wie der Ukraine-Krieg und der Wunsch nach Frieden, aber auch innerkirchliche Bewegungen wie die Initiative #OutinChurch für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche würden so aufgegriffen, erklärt Schomaker, dessen Prämisse lautet: „Vor Gott hat alles Platz.“

Teamtreffen in Glandorf.
Vor dem Start der Telgter Wallfahrt besucht Karl-Heinz Schomaker (Mitte) zusammen mit dem geistlichen Leiter, dem Osnabrücker Domkapitular Martin Schomaker (nicht im Bild), die Wegpunkte, zum Beispiel in Glandorf. | Foto: mth

Dass es immer noch vielen Menschen ein Anliegen ist, die Telgter Wallfahrt mitzugehen, zeigen die Teilnehmerzahlen der vergangenen Jahre. Zwar sind es nicht mehr 10.000, aber doch um die 8.000 Pilger, die sich betend und singend, teils auch auf dem Fahrrad, gen Telgte zum Gnadenbild der Schmerzhaften Gottesmutter aufmachen.

Pilgerbuch aktualisiert sich von selbst

„Die Pandemie war natürlich ein Schlag ins Kontor“, sagt Schomaker. Daher wird in diesem Jubiläumsjahr mit etwa 4.000 Teilnehmern geplant, die in einer kleinen Gruppe um 1.30 Uhr in der Kirche St. Johann in Osnabrück startet, um den ganzen Tag gen Westfalen zu laufen. „Der letzte Schwung stößt in Ostbevern dazu“, weiß Schomaker, der mit dem geistlichen Leiter der Wallfahrt, dem Osnabrücker Domkapitular Martin Schomaker, übrigens weder verwandt noch verschwägert ist.

Ist es an der Zeit für mehr Modernisierung des „Betens mit den Füßen“? Die Telgter Wallfahrt sei immer mit der Zeit gegangen, betont Schomaker, das würde das Verhalten der Teilnehmer spiegeln. Das traditionell genutzte Pilgerbuch aktualisiere sich sozusagen von selbst: „,Gott bewahre uns vor der Mischehe‘ – das beteten die Pilger irgendwann gar nicht mehr mit, den Text überschlugen sie“, erinnert sich Schomaker. Heute werde um die Einheit der Kirchen gebetet, für Familien und Frieden: „Die Gesellschaft hat sich total geändert. Dazu kommt die Entfremdung von der Kirche, das betrübt mich schon und viele sagen, das ist die Auflösung alter Tradition. Aber ich sehe darin eine Chance für die Wallfahrt als eine Rückbesinnung, auf das, was unseren Glauben ausmacht – eine Glaubensgemeinschaft der Nächstenliebe.“

Die Pilger öffnen sich

Wallfahrtszeitplan
Der Zeitplan der Wallfahrt. | Foto: pd

Für ihn füllt sich dieser abstrakte Begriff mit den vielen Begegnungen, die er über so ein Wallfahrtswochenende erlebt. Schomaker geht nicht immer an der Spitze, den Job übernehmen die Schrittmacher, die das Tempo vorgeben. Er nutzt Begleitfahrzeuge, um auch mal in die Mitte der Gruppe abzutauchen und Gespräche zu führen. „Dann geht es plötzlich um solche Probleme wie schulische Herausforderungen bei jungen Leuten, Sorgen um den Arbeitsplatz, Krankheit. Die Pilger öffnen sich mir – das passiert natürlich nicht in den ersten zwei Stunden. Viele gehen im Grunde nach Telgte und tragen etwas.“ Er auch? Bei dieser Rückfrage muss er lachen: „Was trage ich nach Telgte?“ Nach kurzem Nachdenken meint er: „Die Wallfahrt ist für mich ein Aktionspunkt – für mich ist es eigentlich kein besinnlicher Weg, weil ich mit so viel Organisatorischem befasst bin, ich muss ja sehen, dass die Stimmung gut ist!“

Aber dann gibt es doch zwischendurch diese Momente, zum Beispiel in den Drei-Minuten-Pausen zwischen Lied und Gebet im Marschieren, diese Momente, in denen Schomaker einfach nur zuhört, statt macht. „Wenn ich mit den Leuten gehe, und merke, was für eine Vertrauensperson ich da bin, dann merke ich, für diese Leute mache ich das.“ Eine Erkenntnis, die er auch dem ganzen System wünscht: „Wir müssen noch tiefer herunter, um mit festem Grund wieder aufzustehen – als Kirche.“

Telgter Wallfahrt:
Wer am 9. und 10. Juli bei der Telgter Wallfahrt mitgehen oder sich ab Ostbevern anschließen möchte, mehr Informationen sind auf der Webseite der Wallfahrt abrufbar.

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