Tipps von Familien-Beraterin Ursula Frank-Lösing

Kein Besuch zu Weihnachten - wie sag ich's der Oma?

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Eine abgesagtes Familientreffen kann Betroffenheit und Unsicherheit auslösen – gerade in Zeiten von Corona. Statt die Großeltern vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist es besser, im gemeinsamen Gespräch eine Lösung zu finden, sagt Familien-Beraterin Ursula Frank-Lösing. Es gibt viele kreative Möglichkeiten, Verbundenheit zu zeigen, auch wenn der direkte Kontakt diesmal ausfällt.

Frau Frank-Lösing, warum fällt es vielen so schwer, Oma oder Opa beizubringen, dass in diesem Jahr coronabedingt zu Weihnachten ein gemeinsames Feiern nicht möglich ist?

Wir erleben ja zurzeit wieder alle, dass Weihnachten eine große Bedeutung für uns hat - gerade in diesem Jahr, wo vieles nicht mehr so selbstverständlich ist. Im Zusammenhang mit Weihnachten haben wir Bilder im Kopf und liebgewordene Traditionen, wie wir das Fest in aller Regel feiern. Es ist ein Fest, das viele mit Familie verbringen - häufig mit Kindern, Oma und Opa.

Manchmal sind die Feiertage nicht ganz konfliktfrei. Und doch gehört für uns das Zusammensein zum Fest. Aber in diesem Jahr ist vieles anders, und gerade jetzt an Weihnachten können wir ganz offenkundig die Traditionen nicht einfach eins zu eins übernehmen. Das trifft natürlich jeden vor seinem persönlichen Hintergrund. Manchmal hat man Oma und Opa vielleicht nicht so gern dabei. Aber es gibt auch die Situation, wo die Großeltern aus unterschiedlichen Gründen sagen: Wir würden in diesem Jahr lieber anders feiern. Da gibt es ganz unterschiedliche Konstellationen, und jeder hat eine eigene Haltung dazu.

Doch auf jeden Fall ist Weihnachten ein emotional belegtes Thema. Wenn wir da plötzlich sagen: Wir möchten aus bestimmten Gründen anders feiern als sonst, erzeugt das Betroffenheit bei den Beteiligten. In einer Zeit, in der ohnehin vieles wegbricht, entsteht zusätzlich Unsicherheit.

Wie könnte man eine Absage konkret formulieren, ohne Oma und Opa allzu sehr vor den Kopf zu stoßen?

Vielleicht liegt in dieser Formulierung schon fast der Schlüssel zur Lösung. Wenn Sie eingangs fragen: „Wie kann ich es ihnen beibringen“, heißt das ja, dass ich schon eine Lösung gefunden habe, die ich nur noch weitergeben muss. Es wäre sicher konstruktiv, möglichst frühzeitig anzusprechen, dass man sich Sorgen macht, die gängige Tradition beizubehalten. Dass man ein Unwohlsein damit hat. Dass man darüber nachdenkt, doch anders feiern zu wollen. Das bedeutet: Die Betroffenen – in diesem Fall Oma und Opa – nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Besser ist es, dies als Thema aufzumachen und zu sagen: „Darüber würden wir gerne mal mit euch sprechen. Wir merken: Uns bereitet das Bauchschmerzen. Und wir würden gerne mit euch überlegen, wie wir eine gute Form finden.“

Es geht also nicht so sehr in die Richtung: Wie können wir es Oma und Opa beibringen? Sondern: Wie können wir zusammen eine gute Lösung finden? Wenn ich eine Handlungsoption habe und aktiv sein kann, dann habe ich auch das Gefühl, dass ich mich mit einbringen kann. Es ist anders, als wenn ich als Objekt einfach irgendwo hingeschoben werde.

Wie würden Sie denn damit umgehen, wenn die Großeltern nicht einsehen, dass sie in diesem Jahr nicht kommen dürfen oder wegen der Pandemie nicht besucht werden können?

Ursula Frank-Lösing ist Stellenleiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Steinfurt-Emsdetten-Greven. | Foto: privat
Ursula Frank-Lösing ist Stellenleiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Steinfurt-Emsdetten-Greven. | Foto: privat

Ich würde noch einmal einen Schritt zurückgehen, das Gespräch miteinander eröffnen und gemeinsam suchen, was es für Möglichkeiten geben kann. Man sollte dabei nicht nur darauf schauen, was möglicherweise nicht mehr geht - wobei man darüber durchaus Bedauern äußern kann. Es ist aber auch wichtig, deutlich zu machen, wozu der Verzicht dient – nämlich der Gesundheit und dem Gemeinwohl.

Viele Großeltern stehen ja mitten im Leben, sind möglicherweise selber berufstätig. Sie erleben selber, wie die Pandemie auch ihre Opfer fordert. Möglicherweise trifft man da durchaus auf einen Konsens, der etwa lauten könnte: Wir möchten in diesem Jahr angesichts der allgemeinen Situation darauf verzichten. Nicht, weil wir es nicht schön fänden, uns zu treffen, weil sondern weil wir es im Hinblick auf einen anderen Wert sinnvoll finden. Ein Opfer zu bringen, fällt nie leicht. Aber wenn ich weiß, wofür ich etwas tue, kann ich dazu leichter bewusst Ja sagen.

Vielleicht wird uns aber im Gespräch auch deutlich, dass ein Verzicht auf Kontakt so einen hohen Preis oder so eine große Härte für einen Teil der Betroffenen bedeuten würde, dass vielleicht doch auch nach einer Möglichkeit gesucht werden kann, unter welchen Umständen ein Kontakt gehen kann. Es gilt bei diesem Thema eben immer wieder, eine Güterabwägung zu treffen. Und das geht am besten im gemeinsamen Gespräch.

Wie kann man den ausfallenden Weihnachtsbesuch ein wenig auffangen?

Das Eine wäre, zu sagen: Wir bedauern, dass wir uns in diesem Jahr nicht sehen können. Dafür gibt es aber gute Gründe, und wir bitten euch um Verständnis. Man sollte sich aber auch bewusst machen: Wir sind ja in der glücklichen Situation, dass wir auch über die Distanz verbunden sind. Wie schön ist es, dass wir uns überhaupt haben! Die Distanz, die zurzeit nötig ist, haben wir ja nicht innerlich. Es ist eine äußere Distanz. Dann kann man auch schauen, welche Formen es gibt, diese innere Verbundenheit in diesem Jahr anders auszudrücken.

Zum Beispiel?

Indem man sich an die schöne, alte Tradition der Weihnachtsbriefe erinnert. Vielleicht kann ich mit den Kindern einen netten Gruß formulieren, vielleicht etwas basteln. Ich habe gehört, dass Familien überlegt haben, sich nicht alle zusammen zu treffen, sondern dass jeder an seinem Ort feiert. Davon machen sie Fotos oder Videos, die sie über die digitalen Medien als Weihnachtsgruß an die anderen verschicken. Man kann auch am Tannenbaum gemeinsam etwas singen und es als Videogruß verschicken. Es bietet sich auch an, mal wieder zum Telefon zu greifen – das tun wir ja mittlerweile in Zeiten von WhatsApp seltener. Manche Familien treffen sich über Skype und singen gemeinsam. Und eine Frau hat mir gesagt, noch nie habe sie so viele kleine Päckchen vor ihrer Tür gefunden wie in diesen Tagen. Auch wenn wir uns zurzeit nicht treffen können, gibt es so viele kleine, hübsche Überraschungen. Es ist wichtig, darauf zu schauen, was noch geht, wo wir gestalten und kreativ sein können – nicht nur auf den Teil, wo uns etwas fehlt.

Bietet Weihnachten in Corona-Zeiten auch Chancen?

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass trotz allem Weihnachten wird, und darüber zu sprechen, was mir vielleicht gerade in diesem Jahr an Weihnachten wichtig ist. Vielleicht ist es auch eine Chance, noch auf etwas anderes aufmerksam zu werden. Wie oft wünschen wir uns mal Ruhe an den Feiertagen – dass ich mich in ein Buch vertiefen kann, in Ruhe in die Kirche gehen und eine Kerze anzünden kann. Man sollte schauen, was einem persönlich an den Tagen wichtig ist.

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