Warum es immer noch Queergemeinden braucht

Kirche – ein Schutzraum für queere Leidensgenossenschaft

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Es hat sich einiges getan an Akzeptanz für queere Menschen, findet Jan Diekmann von der Queergemeinde Münster in seinem Gast-Kommentar. Die braucht es allerdings nach wie vor - als Schutzraum. Dabei stünde es der Kirche selbst gut an, Queergemeinden überflüssig zu machen.

Immer und immer wieder muss ich diese Frage beantworten: „Warum braucht es noch eine Queergemeinde? Wäre es nicht besser, queere Menschen wären Teil ihrer ‚ganz normalen‘ Gemeinden und Pfarreien? Das müsste doch mittlerweile möglich sein! Sondert ihr euch nicht von der normalen Kirchengemeinschaft ab?“

Ich selbst bin nicht nur in der Queergemeinde Münster engagiert, sondern auch im Pfarreirat von St. Joseph Münster-Süd. Der sonntägliche Gottesdienstbesuch ist für mich keine Pflicht, sondern ein Verlangen. Dabei geht es mir häufig weniger darum, in „meiner Kirchengemeinde“ zu sein, als vielmehr darum, ob mir die Zeit passt, wer predigt und wo ich gute Kirchenmusik genießen kann.

Zum Teufel geschickt

Der Autor
Jan Diekmann (geb. Baumann) arbeitet in der Krankenpflege. Er engagiert sich in der Queergemeinde und in der Pfarrei St. Joseph Münster Süd. Er lebt offen mit seinem Lebenspartner, mit dem er im März 2024 die staatliche Ehe eingegangen ist.

Wie viele queere Menschen sind (noch) mit Kirche verflochten? Die meisten wurden im wahrsten Sinne des Wortes zum Teufel geschickt. Meist haben sie nicht nur von Kirche Anfeindung und Ausgrenzung erlebt. Auch gesamtgesellschaftlich besteht noch immer ein Mangel an Akzeptanz. Subjektiv betrachtet nimmt er aktuell sogar wieder zu. 

Wäre Kirche nicht der ideale Ort für diese Menschen, die oft Ungeheuerliches durchleben oder durchlebt haben? Sollte sie ihnen nicht eigentlich Seelsorge und das Gefühl von Gemeinschaft geben? 

Entwicklung in kleinen Schritten

Es braucht eine Brücke, fast schon Missionare! So verstehe ich unsere Arbeit in der Queergemeinde. Wir zeigen queeren Menschen, dass es sich nicht ausschließt, queer und Teil einer wunderbaren Glaubensgemeinschaft zu sein. Wir schaffen Raum für Sinnsuche und Spiritualität. Wir zeigen, dass sich Kirche bewegen kann und dass sich etwas tut, wenn auch sehr kleinschrittig. 

Ein weiterer Aspekt ist Leidensgenossenschaft. Es hilft, auf Menschen zu treffen, die eine ähnliche Verletzungsgeschichte haben und sich trotzdem nach Spiritualität und Glauben sehnen. Die Queergemeinde ist für viele ein Schutzraum, in dem sie oft erstmals offen sprechen über ihren Glauben, trotz oder gerade mit ihrer Identität.  Die Begegnung schafft Akzeptanz.

Wie die Queergemeinde überflüssig wird

Nach wie vor sind die Stimmen derer, die mir mein Existenzrecht in der Kirche absprechen wollen, oft sehr laut, auch wenn es nur wenige sind. Es liegt an uns allen, die Queergemeinde überflüssig zu machen. 

Noch mehr liegt es an Menschen, die nicht betroffen sind. Darum bitte ich sie: Stehen Sie auf gegen eine exklusive Kirche, in der queere Menschen keinen Platz haben! Stehen Sie auf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung! Positionieren Sie sich öffentlich!

Und sein Sie herzlich willkommen in der Queergemeinde!

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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