Warendorfer Pfarrer reimt am Karnevalssonntag kritische Töne - auch in diesem Jahr

Wenn Kreisdechant Peter Lenfers mit der "Kirchenmaus" zu Karneval predigt

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Sie ist längst ein Klassiker: Die gereimte Karnevalspredigt am Wochenende vor Rosenmontag des Warendorfer Pfarrers und Kreisdechanten Peter Lenfers. Dann lässt er die "Kirchenmaus" auf humorig-ernste Weise mit Missständen in Kirche und Gesellschaft abrechnen. Auch in diesem Jahr klettert sie wieder auf die Kanzel - trotz Ukraine-Krieg. Oder gerade deswegen?

Arm wie eine Kirchenmaus? In Kirchen gibt es keine Nahrung - und so haben Mäuse, die Gotteshäusern einen Besuch abstatten, in der Regel nichts zu essen. Daher kommt die Redewendung von der armen Kirchenmaus. Und trotzdem: So manche Kirche hat trotzdem ihren ganz speziellen kleinen Nager, der einmal im Jahr seinen großen Auftritt auf der Kanzel hat.

Der Warendorfer Pfarrer Peter Lenfers steigt an den Karnevalswochenenden alle Jahre wieder mit der „Kirchenmaus“ in die Kirchen-Bütt und macht sich seinen Reim auf Gott und die Welt. „Psst! Passt! – die Warendorfer Kirchenmaus“ heißt das Buch mit elf Karnevalspredigten von 2010 bis 2020, das Lenfers herausgegeben hat und jetzt im Buchhandel erhältlich ist.

"Kein Karneval wegen Krieg? Umgekehrt wäre es besser"

Diese Kirchenmaus muss man einfach mögen, auch wenn man sonst Angst vor den kleinen grauen Nagetieren hat. Sie ist aus Plüsch und trägt sogar ein Kreuz. Normalerweise sitzt sie im Regal über dem Schreibtisch des Pfarrers in Warendorf. Doch an diesem Karnevals-Wochenende liest sie den Besuchern der Gottesdienste - nach einem Jahr Corona bedingter Pause - wieder die Leviten.

Kirche und Karneval? Passt das überhaupt zusammen? Besonders jetzt, nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine? Musste nicht der Karneval wegen des Krieges ausfallen? "Mir wäre es andersherum lieber", sagt Lenfers, "wenn der Krieg wegen Karneval ausfiele. Aber im Ernst: Zum Karneval gehörte immer, auch auf politische Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Das werde ich natürlich genauso halten."

Spätberufener Karnevalist

Darüber hinaus gehört Fröhlichkeit für Pfarrer Lenfers zum Christentum wie das Amen in der Kirche. Lenfers stammt aus Lüdinghausen, nicht unbedingt als Karnevalshochburg bekannt, sondern eher als „Diaspora“, wie der Pfarrer berichtet. Mit dem Straßenkarneval so wie in Warendorf kam er erst später in Berührung. „Den Rosenmontag habe ich jahrelang gemieden“, so Lenfers.

Dafür ist ihm wohl das Reimen in die Wiege gelegt worden. Ende der vierten Schulklasse hat er mit Unterstützung seiner Mutter für die Verabschiedung einer Lehrerin sein erstes Gedicht gereimt. Humor mit Humor: Später fand Lenfers viel Gefallen an der griechischen und lateinischen Lyrik auf dem Gymnasium.

"Kirchenkritik, weil mir an der Kirche liegt"

Bütte nicht! Nicht ist ernster als Karneval, heißt es. Und das gilt wohl auch für den Humor. Wer gute Stimmung verbreiten will, braucht eine gesunde Portion (Selbst-)Ironie. Sonst, so Lenfers, sollte man das Reimen lieber lassen. Seine ersten närrischen Auftritte hatte er bei KAB und KFD in Emsdetten und Wesel. Seine erste jecke Predigt in Reimform hielt Peter Lenfers 1996, und diese Tradition hat er mit nach Warendorf gebracht. Seit 17 Jahren begleitet den Pfarrer dabei die Kirchenmaus.

Warum eine Maus? Weil es ein „kleines possierliches Tierchen  mit einer Schnüffelnase ist“ und man Ironie humorvoll mit der niedlichen Figur verpacken kann, findet der Pfarrer, der sich selbst und der Gesellschaft in den närrischen Predigten den Spiegel vorhält. „Wenn ich kirchenkritisch in der Bütt bin, dann nicht, weil mir nichts an der Kirche liegt, sondern weil mir was an ihr liegt.“

Ein Reim auf die Ungereimtheiten des Lebens

„Psst, psst, ihr Leut ́! Dezent in grau steht heute vor Euch, ganz genau: die kesse, kleine Kirchenmaus.“ So beginnen die närrischen Predigten. Ob Gemeindefusionen, Landesgartenschau in Warendorf, GroKo-Zwangsheirat nach der Bundestagswahl 2017: Im Käfig voller Narren macht sich der Pfarrer seinen Reim auf die Ungereimtheiten des täglichen Lebens.

Die meiste Arbeit stecke in der Entwicklung einer Idee, verrät der Priester, dass er nach dem Dreikönigsfest mit den Vorbereitungen für seine närrischen Predigten beginnt. Oft entwickele sich beim Schreiben der Plot. Insgesamt kommt Lenfers auf eine Arbeitswoche für die „Kirchenmaus“, die am Karnevalswochenende auch „überörtliche Fans“ in die gut besuchten Gottesdienste lockt. „So kommt man auch mit der säkularen Gesellschaft in Kontakt“, weiß Lenfers, das die „Maus“ nicht nur bei regelmäßigen Kirchgängern Resonanz findet. Seit einigen Jahren klingt mit Predigt-Bütt der Sessionsabschluss der Warendorfer Karnevalsgesellschaft am Veilchendienstag aus.

Reinerlös auch für Flutopfer

Das Lenfers-Buch ist mit Maus-Grafiken von Manfred Kronenberg illustriert und kostet 10 Euro. „Wir wollen damit nichts verdienen“, sagt der Kreisdechant. Das Buch ist im Selbstverlag mit zunächst 500 Exemplaren aufgelegt worden – bei Bedarf kann nachgedruckt werden. Der Reinerlös geht zu gleichen Teilen an die Warendorfer Kinderhilfsorganisation „Aktion Kleiner Prinz“ und die Pfarreiengemeinschaft im hochwassergeschädigten Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Wen er an diesem Karnevals-Wochenende „auf den Kamm“ nimmt, verrät Peter Lenfers nicht. „Der Überraschungseffekt“ soll bleiben. „War ́ndorf Helau! Die Kirchenmaus.“

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