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Die Ehe zwischen Mann und Frau bestimmt die katholische Sexualmoral. Andere Familienmodelle oder geschlechtliche Identitäten jenseits der Heterosexualität werden offiziell nicht akzeptiert. Das Bistum Mainz setzt jetzt Seelsorger für queere Menschen dagegen.
Jede Menge Riten für alle möglichen Lebenssituationen hat die katholische Kirche in ihrer 2.000-jährigen Geschichte hervorgebracht. Der katholische Pfarrer Mathias Berger möchte das Spektrum noch erweitern. Er denkt an Segnungen von homosexuellen Paaren und queeren Menschen. Wenn es nach ihm ginge, würde seine Kirche eine regelrechte „Queering church“.
Berger ist Diözesanjugendseelsorger im Bistum Mainz und seit April zusammen mit Pastoralreferentin Christine Schardt Beauftragter der Diözese für queersensible Pastoral. Das Bistum Mainz gehört zu den Vorreitern unter den deutschen Bistümern, das sich um eigene Ansprechpartner und ein Seelsorge-Konzept für sexuelle Minderheiten kümmert. Andere ziehen nach – wie etwa das Erzbistum München.
Herber Rückschlag bei Synodalversammlung
Pastoralreferentin Schardt ist im Hauptberuf Hochschulseelsorgerin in Mainz. Am Sonntag werden Berger und Schardt in einem Gottesdienst feierlich beauftragt. Bei dem Thema gebe es Rückschläge und Frust, sagten Schardt und Berger. Zum Beispiel bei der jüngsten Tagung des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg Anfang September. Dort blockierte eine Minderheit der katholischen Bischöfe mit ihrer Sperrminorität einen Beschluss zur Reform der kirchlichen Sexualmoral. Reformorientierte Kräfte fordern seit Langem die Anerkennung von Homosexualität sowie Trans- und Intersexualität als gleichwertige Lebensformen.
Dies sei „mal wieder“ ein Schlag in die Magengrube gewesen, sagt Berger. Aber der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf habe die beiden umgehend ermutigt weiterzumachen. Das Reformpapier „ist zwar vom Tisch, aber es ist in der Welt“, schrieb der Bischof. Auch aus der queeren Community erreichten die beiden „deutliche Rückmeldungen“, aber auch die Versicherungen: „Wir trauen Euch, wir trauen dem Bischof.“
Seelsorgerin outet sich selbst als queer
Bereits zuvor, sagt Berger, habe die Kirche viele Menschen verletzt und verloren. Die, die sich jetzt noch in kirchlichen queeren Netzwerken und Communitys engagierten, seien hochverbunden und arbeiteten manchmal „bis zur Selbstverleugnung“. Schardt, die sich Anfang des Jahres zusammen mit rund 100 anderen katholischen Mitarbeitenden öffentlich als queer outete, spricht von einem „Ringen mit dem eigenen System“.
Berger möchte die kirchliche Sexualmoral grundlegend weiterentwickeln: Sie solle Diversität vermitteln „als Abbild Gottes“, anstatt ein bipolares Menschenbild. „Ich habe schon lesbische Paare gesegnet, in der eigenen Familie“, verrät er.
Haushaltsmittel für Queer-Seelsorge notwendig
Auch Schardt hat bereits Segnungsgottesdienste mit Paaren gefeiert, unabhängig von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. Außerdem hat die Pastoralreferentin Transpersonen seelsorgerisch begleitet, erzählt sie. Diese Begleitung biete große Chancen, und wenn die Transition zu einem erfolgreichen Abschluss komme, könne man zusammen ein Fest des neuen Lebens – auch liturgisch – feiern. In diesen Momenten sei queersensible Seelsorge „eine sehr zufriedenstellende Aufgabe“, sagt Schardt.
Doch nötig seien auch Haushaltsmittel, beispielsweise für Stellen und Ansprechpersonen im bischöflichen Ordinariat. In diesem Punkt sind die beiden Seelsorger sich einig mit Mara Klein, Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Wegs. Seelsorgerinnen und Seelsorger bräuchten „vor allem Ressourcen“, sagt Klein, die sich selbst als divers bezeichnet. Sie fordert Arbeitsstellen, Weiterbildungen, klare ausgeschriebene Aufträge für den Aufbau und die Förderung von Schutzräumen und Expertise zu queeren Themen.
Kirche bleibt queerfeindlicher Ort
Die Kirche als Institution sei und bleibe aber „ein queerfeindlicher Ort“. Diese Tatsache könnten auch seelsorgerliche Angebote für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle nicht ausgleichen, betont Klein. „Eine separate ‚queere Seelsorge‘ ergibt wenig Sinn, wenn die anderen Kategorien bestehen bleiben – in der Familienpastoral muss Platz für Regenbogenfamilien geschaffen werden, in der Männer- und Frauenseelsorge Platz für Lebensrealitäten, die über ein cis-heteronormatives Verständnis von Mann und Frau und damit verbundene Rollenbilder hinausgehen.“
In den Vatikan und die Bischöfe in Deutschland hat Mara Klein nach eigenem Bekunden kein Vertrauen, aber Hoffnung, „dass wir zumindest in einigen Diözesen in Deutschland mit Erleichterungen rechnen dürfen“. Das Bistum Mainz dürfte dazu gehören. Für Mathias Berger steht fest: „Ich gebe die Hoffnung auch in unserer Kirche nicht auf!“