Nach Visitation wegen geistlichem Missbrauch in der geistlichen Gemeinschaft

Marx löst Katholische Integrierte Gemeinde auf

  • Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die Katholische Integrierte Gemeinde kirchenrechtlich aufgelöst. 
  • Nach Klagen ehemaliger Mitglieder über missbräuchliche Praktiken in der Gruppierung ordnete Marx im Februar 2019 eine Untersuchung an.
  • Der damalige Münchner Kardinal Joseph Ratzinger sprach 1978 die kirchliche Anerkennung aus und stand Jahrzehnte in engem Kontakt mit der Gruppe, zuletzt distanzierte sich Benedikt XVI. von ihr.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die Katholische Integrierte Gemeinde kirchenrechtlich aufgelöst. Der 1986 in der Erzdiözese München und Freising errichtete Verein hatte zuletzt weder Leitungsorgane noch Mitglieder, wie das Erzbistum München und Freising am Freitag mitteilte. Die beim Amtsgericht München registrierten weltlichen Rechtsträger der Gemeinschaft hatten sich bereits im Mai umbenannt.

Nach Klagen ehemaliger Mitglieder über missbräuchliche Praktiken in der Gruppierung ordnete Marx im Februar 2019 eine Untersuchung an. Zum Ergebnis veröffentlichte das Erzbistum auf seiner Internetseite eine Stellungnahme der drei sogenannten Visitatoren.

 

Marx: Mangelnder Glaube war nicht das Problem

 

„Ich bedaure sehr, dass ehemalige Mitglieder in der Auseinandersetzung mit der Katholischen Integrierten Gemeinde Leid erfahren mussten und die Verantwortlichen sich gegenüber den Visitatoren nicht als kooperationsbereit erwiesen haben“, erklärte Marx.

„Der Bericht der Visitatoren verdeutlicht, dass nicht mangelnder Glaube oder einzelnes persönliches Versagen den Verein problematisch machten, sondern dass hier manche negativen Erfahrungen im Anspruch und in der Struktur der Katholischen Integrierten Gemeinde grundgelegt waren.“

 

Kardinal Ratzinger erkannte die Gruppe an

 

Die 1948 von dem Ehepaar Traudl und Herbert Wallbrecher gegründete Gemeinschaft galt zeitweise als einer der vielversprechendsten Aufbrüche in der katholischen Kirche. Sie wollte nach eigener Darstellung „ein Ort für ein aufgeklärtes und unverkürztes Christentum“ sein und zog namhafte Theologen an.

1978 sprach der damalige Münchner Kardinal Joseph Ratzinger die kirchliche Anerkennung aus und stand Jahrzehnte in engem Kontakt mit der Gruppe, die zeitweise in Rom eine repräsentative Immobilie unterhielt. Vor wenigen Wochen ging der emeritierte Papst Benedikt XVI. dann auf Distanz zur Integrierten Gemeinde. Offensichtlich sei er über manches in ihrem Innenleben „nicht informiert oder gar getäuscht“ worden.

 

„Unkontrollierte Machtausübung im Namen des Heiligen Geistes“

 

Ehemalige Mitglieder werfen der Gemeinschaft geistlichen Missbrauch in einem System von psychischer und finanzieller Abhängigkeit vor, was die Integrierte Gemeinde als „böswillige Verleumdung“ zurückgewiesen hat.

Die Visitatoren benennen in ihrer Stellungnahme mehrere „strukturelle Defizite“: überzogene Gehorsamsforderungen, undurchsichtiges wirtschaftliches Handeln, kompromisslose Ausgrenzung von Kritikern sowie „unkontrollierte Machtausübung im Namen des Heiligen Geistes“. Etliche ehemalige Mitglieder seien dadurch in Not geraten. Die Katholische Integrierte Gemeinde sei ein „sehr komplexes Phänomen in der Kirche“. Der Schaden sowie das Leid der Betroffenen müssten weiter aufgeklärt und aufgearbeitet werden.

Mit der Visitation beauftragt waren die Münchner Benediktiner-Äbtissin Carmen Tatschmurat, die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel und der Leiter der Kirchenrechtsabteilung im Münchner Ordinariat, Michael Benz.

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