Große unabhängige Studie soll auch systemische Ursachen benennen

Missbrauch in Jugendverbänden: BDKJ nennt erste Zahlen und plant Studie

  • Auch in der katholischen Jugendarbeit in Deutschland hat es zahlreiche Fälle sexualisierter Gewalt gegeben.
  • Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sagt, für die Zeit seit 1945 lägen bislang 121 Rückmeldungen vor.
  • Nun sollen unabhängige Forscher das Thema umfassender aufarbeiten.

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Auch in der katholischen Jugendarbeit in Deutschland hat es zahlreiche Fälle sexualisierter Gewalt gegeben. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) veröffentlichte am Donnerstag einen ersten Überblick. Für die Zeit von 1945 bis 2021 seien bislang 121 Rückmeldungen über Fälle oder zumindest Verdachtsfälle verzeichnet, so das Ergebnis einer Vorstudie.

Diese wurde laut Angaben von der Universität Münster und der Hochschule Hannover im Auftrag des Dachverbands der katholischen Jugendverbände erstellt. Die Ergebnisse basieren demnach auf Literaturrecherche und auf einer Abfrage bei Mitglieds- und Diözesanverbänden des BDKJ über bereits bekannte Fälle sexueller Gewalt. Eine eigene Datenerhebung, Aktenrecherchen und Opferbefragungen habe es für die Vorstudie noch nicht gegeben.

Wer war Opfer, wer war Täter, wo passierte es?

Laut Bericht beziehen sich 75 von 121 Rückmeldungen auf Fälle in den Jahren seit 2010, was auch auf bessere Datenlage und gesteigerte Sensibilität für das Thema zurückzuführen sei. Betroffen seien zumeist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen fünf und 29 Jahren, die als Mitglieder und ehrenamtliche Gruppenleiter in den Jugendverbänden aktiv waren. Das Alter der Tatpersonen lag zwischen 12 und 60 Jahren, wobei rund 65 Prozent zum Zeitpunkt der Vorfälle bereits erwachsen gewesen seien.

62 Prozent der Betroffenen waren weiblich; bei den Tätern waren etwa 95 Prozent männlich. Knapp 60 Prozent der Vorfälle ereigneten sich demnach bei Ferienlagern, rund 18 Prozent bei Gruppenstunden.

Was geschehen ist

Dokumentiert sind demnach 51 Fälle von "aufdringlichem Verhalten", worunter auch Küsse gegen den Willen der betroffenen Person zählten. In 29 Fällen sei es zu vorsätzlichen Berührungen im Brust- oder Genitalbereich gekommen. Zum Vollzug sexueller Handlungen kam es in 13 Fällen, davon drei unter Erpressung sowie einer unter Gebrauch körperlicher Gewalt.

"Auch wenn die Präventionsarbeit in der katholischen Jugendverbandsarbeit einen hohen Stellenwert und Standard erreicht hat, müssen wir erkennen: Missbrauch fand und findet in der katholischen Jugend statt", sagte der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun. Die vorläufigen Ergebnisse verdeutlichten, dass eine breiter angelegte und systematische Aufarbeitung nötig sei, "die die Strukturen der Jugendverbandsarbeit explizit in den Blick nimmt".

Umfassende unabhängige Untersuchung angekündigt

Dazu kündigte der BDKJ an, unabhängige Forscher mit der Durchführung einer großangelegten Studie beauftragen zu wollen. Sie solle auch Rückschlüsse auf systemische Ursachen erlauben, "mit den obersten Zielen, Betroffenen Gerechtigkeit zukommen zu lassen und künftig Kinder und Jugendliche zu schützen", so Podschun.

Wer die Studie durchführen soll und wann mit einer Veröffentlichung zu rechnen ist, sei noch offen, erklärte der Dachverband auf Anfrage. Dazu müssten noch Absprachen mit Kooperationspartnern und der Deutschen Bischofskonferenz getroffen werden. Der BDKJ vertritt nach eigener Darstellung die Interessen von 17 Einzelverbänden mit rund 660.000 Mitgliedern.

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